Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
045 - Das verschwundene Volk

045 - Das verschwundene Volk

Titel: 045 - Das verschwundene Volk
Autoren: Claudia Kern
Vom Netzwerk:
ist nur ein Traum, dachte Aruula. Die Götter zeigen mir, wie die Stämme hier gelebt haben. Es macht nichts, wenn man mich aitdeckt.
    Mit diesem Gedanken richtete sie sich auf und trat vor die Höhle.
    »Ich komme in Frieden«, sagte sie, aber der alte Mann sah noch nicht einmal zur Seite, als er leise vor sich hinmurmelnd an ihr vorbeiging. Auch die anderen Menschen ignorierten sie, aßen und redeten ungestört weiter.
    Aruula fühlte sich wie ein Geist, aber das war in Ordnung so. Es war nur ein Traum. Unschlüssig machte sie einige Schritte in die Höhle hinein, spürte die Wärme des Feuers auf ihrer Haut und roch unbekannte Gewürze, auf die ihr Magen mit eindeutigem Knurren reagierte.
    Sie ging an den Feuern vorbei und näherte sich einer Gruppe von Männern, die mit nackten Oberkörpern neben einer Leiter standen und sangen. Ihre Arme und Beine waren bemalt, in den Haaren steckten Vogelfedern. In ihrer Mitte hockte ein Wesen, das Aruula im ersten Moment für einen Dämon hielt, aber nach, einem weiteren Blick als Mann erkannte, der das Geweih eines Tieres auf dem Kopf trug und in ein Fell gehüllt war. Während Aruula um die Gruppe herum ging, richtete er sich auf, und sie sah, dass er eine Schale in der Hand hielt. Sie blieb stehen und beobachtete, wie er den Daumen hinein tunkte und die Brust eines Mannes mit Farbe bestrich.
    Ein Schamane, erkannte Aruula, die in Sorbans Horde ähnliche Rituale erlebt hatte und selbst schützende Farbstreifen auf den Körper trug, die sie von Zeit zu Zeit auffrischte. Er bereitet die Krieger für die Jagd oder einen Kampf vor.
    Neugierig näherte sie sich den Männern. Der Schamane brachte die letzten Symbole an, dann neigte er den Kopf und tauchte die Spitzen des Geweihs in die Schale. Sie glänzten feucht und dunkel, als er sie wieder heraus zog.
    Der Gesang verstummte. Die Krieger wandten sich ab und gingen zu den Feuern, während der Schamane Fell und Geweih ablegte. Überrascht bemerkte Aruula, dass er für eine so verantwortungsvolle Position im Stamm noch sehr jung war. Sie schätzte ihn auf knapp dreißig Winter.
    Der Schamane hockte sich auf den Boden, zögerte und richtete seinen Blick direkt auf Aruula.
    » Geh weg «, sagte er.
    Aruula öffnete die Augen und blinzelte in das helle Licht der Mittagssonne. Das Fell, unter dem sie lag, war schweißnass. Mit einer Hand warf sie es zur Seite und setzte sich auf. Erleichtert bemerkte sie, dass die Felswände zu beiden Seiten wieder aufragten; sie war zurück in ihrer eigenen Welt.
    Wieso haben die Götter mir das gezeigt?, fragte sie sich. War es eine Warnung, diesen Ort schnell zu verlassen?
    »Du hast lange geschlafen.«
    Aruula zuckte erschrocken zusammen und drehte den Kopf. Maddrax saß hinter ihr auf einem Felsen, das linke Bein ausgestreckt. Die Krücken lagen neben ihm.
    »Geht es deinem Bein schlechter?«, fragte sie besorgt.
    »Nein, ich habe es nur zu viel bewegt. Dieses Pueblo… es…« Er schüttelte den Kopf, ohne den Satz zu beenden. »Ich habe versucht dich zu wecken«, sagte er stattdessen, »aber du wurdest einfach nicht wach.«
    Aruula dachte an ihren Traum und sah unwillkürlich hinauf zu dem Punkt der Felswand, hinter dem sich der Höhleneingang verbarg.
    »Wir sollten diesen Ort verlassen. Es gibt hier Geister, die sich von uns gestört fühlen.« Sie stand auf. »Aber zuerst werde ich auf die Jagd gehen. Wir brauchen Fleisch für die Reise.«
    »Hier willst du jagen?« Maddrax klang skeptisch. »Ich glaube nicht, dass du irgendwas finden wirst.«
    Aruula wandte den Blick von der Felswand und sah für einen Lidschlag das Bild des Schamanen mit seinem Geweih vor sich.
    »Ich werde etwas finden«, sagte sie. »Das habe ich im Traum gesehen.«
    Sie achtete nicht auf Maddrax' Antwort, sondern ging auf die nächste Biegung der Schlucht zu. Er verweigerte den Göttern den nötigen Respekt und glaubte nicht an die Macht von Visionen und Träumen. Sie machte ihm das nicht zum Vorwurf, bedauerte nur, dass er die Welt so unvollkommen wahrnahm und keinen Zugang zu den Geheimnissen des Geistes hatte. Sogar ihrer Frage nach den Göttern seiner Zeit war er ausgewichen, als wäre sie ihm unangenehm. Nur von zweien hatte sie bislang erfahren: von einem, der einfach nur »Gott« hieß, und von »MacGyver«, den er anrief, wenn es ein kniffliges Problem zu bewältigen gab.
    Aruula blieb stehen und betrachtete einen abgestorbenen Baum. Die Rinde war intakt und es gab auch sonst kein Anzeichen, dass sich ein
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher