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045 - Das verschwundene Volk

045 - Das verschwundene Volk

Titel: 045 - Das verschwundene Volk
Autoren: Claudia Kern
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Decke und hockte sich neben ihn.
    »Chopaje ist tot«, sagte er ruhig.
    Jekulah starrte ihn an, als habe er den Verstand verloren. »Das ist unmöglich. Es gibt keinen besseren Krieger… er…«
    »Makeje hat ihn getötet.«
    Ketkume sagte die Worte ohne jedes Gefühl. Etwas in ihm war gestorben, als er die Axt in der Stirn seines Neffen gesehen und begriffen hatte, wer die Schuld daran trug.
    »Und Tlehoke?« Jekulahs Stimme zitterte, aber Ketkume konnte keine Träne in seinen Augen entdecken.
    »Delketh wird bei Sonnenaufgang über ihn richten. Das Gesetz schreibt eine Steinigung vor, aber vielleicht wird er Tlehoke begnadigen und ihn nur aus dem Stamm verbannen.«
    Jekulah drehte den Kopf, als könne er seinem Sohn nicht mehr in die Augen sehen. »Hat er gesagt, dass ich ihn gebeten habe, die Fremde zu töten?«
    Ketkumes Finger krallten sich in die Decke.
    »Nein, er ist bewusstlos, aber Tlehoke ist dein Enkel und verehrt dich, Vater. Er wird eher sterben, als dein Andenken zu beschmutzen.«
    Jekulah nickte. »Das ist wahr. Er ist guter Junge. Ketkume, gehe zu Delketh und bitte ihn zu mir. Sage ihm, dass -«
    Ketkume hielt es nicht mehr länger aus. Mit aller Kraft presste er die Decke auf das Gesicht seines Vaters.
    »Sie waren fast noch Kinder!«, schrie er.
    »Der Alte Coyote hat einen üblen Scherz mit uns getrieben, als er dich zu uns zurückbrachte. Warum hat er dich nicht getötet, das frage ich mich seit so vielen Sommern. Du hast mein Leben zerstört, meine Brüder und Schwestern hast du in den Tod getrieben und jetzt deine eigenen Enkel! Es ist genug, hörst du, genug!«
    Der gelähmte Körper lag reglos unter ihm. Nur der Kopf zuckte unter seinem Druck, aber das verging nach einiger Zeit.
    Ketkume legte die Decke beiseite und betrachtete die Leiche seines Vaters, die mit geschlossenen Augen und geöffnetem Mund vor ihm lag.
    Seine Beine zitterten, als er aufstand und sich ruhig in seine Ecke setzte. Er wusste, dass er nichts zu befürchten hatte, dass niemand ausgerechnet ihn, den feigen Schwächling verdächtigen würde.
    Jekulah war ein alter Mann gewesen und alte Männer starben oft im Schlaf.
    Er lehnte sich gegen die Wand und schloss die Augen. Die Stille war nach all der Zeit wie ein Geschenk.
    Frei, dachte er. Endlich bin ich frei.
    ***
    Aruula saß im Sand und trommelte nervös mit den Fingern auf ihre Knie. Das Ritual, mit dem Makeje sie zurück in ihre Welt bringen wollte, schien endlos zu dauern. Sein monotoner Singsang klang bereits heiser und sein nackter Oberkörper glänzte vor Schweiß. Was auch immer er tat, es strengte ihn sehr an.
    Aruula biss sich auf die Lippe, als sie an Maddrax dachte. Sie hatte ihn nicht bis zum Rand der Grube bringen können. Wenn sie eingestürzt war…
    Sie verfolgte den Gedanken nicht zu Ende, zwang sich ruhig sitzen zu bleiben und auf das Ende des Rituals zu warten.
    Die anderen Stammesmitglieder standen im Halbkreis vor der Gemeinschaftshöhle. Die meisten schwiegen, nur Eri und ihr Vater stritten so laut miteinander, dass Aruula jedes Wort verstehen konnte.
    »Du hast mir befohlen, Makeje und Aruula zum Plateau zu locken!«, schrie Eri.
    »Und jetzt hasst er mich. Hast du den Blick gesehen, mit dem er mich gemustert hat? Als wäre ich ein Tier…«
    Delkeths Stimme war ruhiger. »Ich dachte, wenn er aus dem Mund der Fremden hört, dass sie ihn nicht liebt, wird er begreifen, dass seine Taten sinnlos sind und sie nicht die richtige Frau für ihn ist. Und ich glaube, das hat er auch.«
    »Aber warum hasst er mich deswegen und nicht sie?«
    »Du hast…«, hörte Aruula Delketh zögernd sagen. Dann brach er ab, wollte wohl nicht an aller Öffentlichkeit zugeben, dass seine eigene Tochter versucht hatte, einen Mord zu begehen.
    »Vielleicht«, fuhr er stattdessen fort, »bist du auch nicht die richtige Frau für ihn.«
    Aruulas Blick kehrte zu Makeje zurück. Obwohl es nicht ihre Absicht gewesen war, hatte sie sein Leben ins Chaos gestürzt. Ohne sie hätte er wohl Eri zur Frau genommen und eine Familie gegründet. Was er jetzt tun würde, wusste er wohl selbst nicht.
    Sie zuckte zusammen, als er plötzlich die Augen öffnete und sie ansah. Schweißtropfen tropften von seinen Brauen, aber er blinzelte nicht, ließ seinen Blick nur stumm über ihr Gesicht gleiten.
    Schließlich öffnete Makeje den Mund. Er schien etwas sagen zu wollen, hob dann jedoch nur die Hand.
    Und verschwand.
    Klare kalte Nachtluft hüllte Aruula ein. Sie atmete tief ein, schmeckte kein
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