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0446 - Höllenfrost

0446 - Höllenfrost

Titel: 0446 - Höllenfrost
Autoren: Werner Kurt Giesa
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reiterlose Pferd bäumte sich auf, rannte davon - und verschwand in einer flackernden Lichterscheinung.
    Langsam schwebte Julian auf den Mann zu, der im Schnee lag. Noch lebte er, aber Julian fühlte, daß der schwache Rest seiner Lebenskraft rasend schnell verströmte.
    Auf Spuren kam es jetzt nicht mehr an. Julians Füße berührten den Schnee, sanken darin ein. Er kniete neben dem Sterbenden nieder.
    In den Traumwelten, die er sich geschaffen hatte, gab es den Tod in mannigfacher Gestalt. Hier aber erlebte der Junge, der auf der Entwicklungsstufe eines Sechzehnjährigen stand, zum ersten Mal das Sterben eines wirklichen Menschen.
    Es berührte ihn seltsam.
    Und unwillkürlich versuchte er, den Sterbenden am Leben zu halten, denn dies war kein Traumspiel, sondern brutale Realität…
    ***
    Ungläubig staunend hatte Briggs die Szene beobachtet. Ein Schleier begann sich über seine Augen zu legen. Er sah nur noch undeutlich. Die Wunde, die der Sensenmann in sein Leben geschlagen hatte, schmerzte weniger, als er gedacht hatte. Aber mit jedem Schlag seines Herzens verströmte etwas mehr von dem Lebenssaft.
    Der Junge kniete neben ihm nieder. Undeutlich sah Briggs ein jugendliches, schmales Gesicht mit dunklen Augen und einem hellen Haarschopf. Schlanke Finger berührten seinen Körper, versuchten die Wunde zu schließen. Briggs fühlte einen Strom von Lebenskraft, der ihn berührte, doch es war nicht genug, und es war zu spät. Briggs würde sterben.
    »Das… das Telepathenkind…«, brachte er kaum hörbar hervor. Er strengte sich an, die Worte deutlich werden zu lassen, aber ihm fehlte längst die Kraft. Mit jeder Sekunde wurde sein angeschnittener Lebensfaden dünner.
    »Du meinst doch nicht etwa mich, mein Freund?« hörte er die helle Stimme.
    »Bist du… bist du…?«
    »Was willst du von dem Telepathenkind, was willst du von mir?«
    Briggs bäumte sich auf. Einen Augenblick lang entfesselte er noch einmal all seine Kraftreserven. »Shirona«, keuchte er. »Sie… sie wartet auf das Tele… Telepathen… kind… im Dorf…«
    »Wo ist es?« stieß der Junge hervor. Seine Stimme klang maßlos erregt, und von seiner Hand, die immer noch Briggs Körper berührte, ging Gluthitze aus.
    »Spur… folge…«, keuchte Briggs und hustete. Er verlor immer noch Blut, und er fühlte sich warm, so unglaublich warm. Alles wurde so leicht, auch das Sterben, und er wußte, daß er seinen Auftrag erfüllt hatte und das Licht auf ihn wartete. Die schwarzhaarige Dämonin, die ihm vor seinem Sterben noch die schönsten Stunden seines Lebensabends bereitet hatte, hielt ihr Wort. Er war frei.
    Und er ging.
    Julian schloß ihm die Augen.
    ***
    Von einem Moment zum anderen erreichten sie die Lichtung. Zamorra blieb unwillkürlich stehen und ließ den Strahl der Taschenlampe über die Fläche geistern. Schon auf dem Weg hierher war ihm aufgefallen, daß sie sich plötzlich auf einem schmalen, ausgetretenen Pfad befanden, den sie vom Bayou kommend erreicht hatten, und der zu einer anderen Stelle des Bayous führte.
    Nicole trat neben ihn.
    »Faszinierend«, sagte sie.
    Aschereste glühten. In der Mitte der Lichtung mußte eine Blockhütte niedergebrannt sein. Ein paar verkohlte Pfosten standen noch da. Die Hütte konnte erst vor kurzer Zeit zerstört worden sein. Am Nachmittag vielleicht.
    Jetzt glühte nur noch die Asche.
    »Da ist uns wohl jemand zuvorgekommen«, sagte Zamorra mißmutig. »Sie haben das Versteck aufgegeben, sind fort. Aber das ist der Beweis, daß sie leben.«
    »Rob, die Zwillinge und das Kind?« hakte Nicole nach. »Ich weiß nicht… es kann jeder andere gewesen sein. Chef, hast du schon mal daran gedacht, daß dieser Brand Dämonenwerk sein könnte und daß wir zu spät gekommen sind, um einen Massenmord zu verhindern?«
    Er berührte ihren Arm.
    »Nein. Ich bin einmal zu spät gekommen, damals in Miami. Jetzt nicht mehr, nicht wieder. Sie sind geflohen, ehe jemand sie finden konnte. Und ich bin jetzt sicher, daß sie leben.«
    »Sie sind nicht hier«, sagte Cascal.
    »Das sehen wir selbst«, entfuhr es Zamorra. »Können Sie die Spur weiter verfolgen?«
    Der Neger räusperte sich. Er schwieg.
    »Bitte, Ombre…«
    »Die Spur ist erloschen«, sagte Cascal. »Ich finde sie nicht mehr. Sie hörte im gleichen Moment auf, als wir die Lichtung erreichten. Ich kann nicht mehr weiter.«
    Er hob den Kopf und sah Zamorra an. »Verdammt, ich kann nicht mehr weiter! Ich habe sie verloren! Aber ich hin diese verfluchte Unruhe
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