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040 - Die Tochter der Hexe

040 - Die Tochter der Hexe

Titel: 040 - Die Tochter der Hexe
Autoren: Hugh Walker
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bestätigte ich mit rauher Stimme, „es sieht so aus, als wären wir dort gelandet, wo wir wollten.“ Ich starrte auf meine verkrampften Finger. Sie waren leer. „Der Trick allerdings hat nicht funktioniert.“
    „Wer weiß“, meinte Gis. „Vielleicht verloren wir die Puppen in dem Wind, sie waren schließlich nur aus Wachs.“
    „Hoffentlich“, meinte ich. „Was ist mit Luvia?“
    „Sie liegt hier“, sagte Gisela.
    „Ist sie wohlauf?“
    „Nicht leicht zu sagen. Hm. ich glaube, sie hat nur Angst, die Augen aufzumachen. Luvia, es ist alles in Ordnung.“
    „Ich will diesen scheußlichen Namen nicht mehr hören. Ich heiße Daniela. Es hat geklappt, nicht wahr?“
    „Ja“, erklärten wir fast gleichzeitig.
    Sie lächelte zufrieden. Dann wurde sie ernst. „Ich bin ganz allein.“
    „Unsinn, du hast uns“, stellte ich fest. „Jetzt, da die Tamil tot ist, wird es einfacher sein, deine Eltern davon zu überzeugen, daß du …“
    „Meine Eltern?“ fragte sie erstaunt. „Habt ihr es noch nicht bemerkt? Bernheim haben Sie vom Tisch gefegt. Es gibt kein Bernheim mehr!“
    „Du meinst …“ Ich sprach nicht weiter. Ich war zu sehr damit beschäftigt, in die Dunkelheit zu spähen. Man sah nicht viel, aber genug, um zu erkennen, daß sie die Wahrheit sprach. Nicht mehr als hundert Meter vor uns hätten wir die ersten Häuser sehen müssen. Da war jedoch absolut nichts. Nichts als die Wiesenhänge der Hügel und die streckenweise schimmernde Fläche des Moores. Zwischen beiden führte das merklich hellere Band der Straße. Aber es war deutlich zu sehen, daß sie in die Wildnis führte, nicht in ein Dorf.
    „Es tut mir leid!“ sagte ich verwirrt.
    „Es macht nichts“, sagte die Kleine. „Meine Eltern hätten es nicht verstanden. Ich bin jetzt frei. Sie verstanden es nie, wenn ich fragte, wie die übrigen Menschen leben. Ich glaube, sie hielten euch nicht für Menschen. Alle Bernheimer dachten so ähnlich. Ich fürchte mich.“
    „Hab’ keine Angst“, versuchte ich sie zu trösten, und bemühte mich gleichzeitig, zu verarbeiten, was ich da gehört hatte. Das Ganze erschien immer mehr wie ein Alptraum. Alles, was geschehen war, verschwand Stück für Stück aus der Realität. „Wir werden dich nicht allein lassen.“
    Bernheim verschwunden! Bernheim, das Schloß, die Tamil. Das alles gab es nicht mehr. Und ich ertappte mich bei den ersten Zweifeln. Hatte es das alles je gegeben? War ich aus einem Traum erwacht?
    Ich schüttelte mich. Nein, es konnte kein Traum sein. Die Erinnerung war zu lebendig.
    Als ich zum Aufbruch drängte, brach noch ein Stück der Vergangenheit ab – jenes, das mir am meisten bedeutet hatte.
    Gis sagte: „Ich werde nicht mitkommen, Robbie.“
    Ich verstand sie nicht. „Weshalb nicht, Gis. Du weißt, daß ich dich liebe. Ich …“
    Sie unterbrach mich. „Du hast es nicht gemerkt, nicht wahr?“
    Ich schüttelte verwundert den Kopf. „Was, um alles in der Welt?“
    Traurig sagte sie: „Elvira Tamil wußte es. Ich bin nicht Gisela, Herr Fischer. Ich dachte, ich könnte Gisela retten. Aber als ich Sie fortschickte, da war es bereits zu spät. Der Schock! Gisela hatte den Verstand verloren. Sie war stärker als viele. Die meisten hätte der Schreck getötet, oder die Furcht. Als sie den Körper dann ins Moor warfen, lagen wir Stunden, und der Körper starb im Schlamm. Und als er schließlich hervorkroch, war ich es. die ihn leitete. Nur noch ich!“
    Ich begann zu begreifen. „Wilma!“ flüsterte ich. Schmerz schnürte mir die Kehle zusammen, als sie bestätigend nickte.
    „Ja, ich bin Wilma.“
    Eine Weile stand ich da, zu verloren, zu betäubt von dem Bewußtsein, daß ich sie zum zweiten Mal verloren hatte – nicht wirklich, aber ich empfand es so. Ich hatte sie ja die ganze Zeit über für Gis gehalten. Schließlich würgte ich beinah wütend hervor: „Warum mußtest du es mir sagen? Ich liebte dich wie sie. Es hätte keinen Unterschied gemacht. Und eines Tages …“
    „Ja, ich weiß, was Sie sagen wollen“, unterbrach sie mich. „Und ich wollte es tun, wenn es in meiner Macht gestanden hätte. Ich weiß nicht, ob ich eines Gefühls fähig gewesen wäre. Vielleicht genügt es, einen Körper zu haben, um zu fühlen.“ Sie hob die Hand, als wollte sie mich am Arm ergreifen. Aber auf halbem Weg hielt sie inne. „Verstehen Sie mich doch. Dieser Körper ist tot. Er wird zu faulen beginnen. Ich werde ihn dem Moor wiedergeben. Ich muß ihn verlassen. Es gibt keine
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