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040 - Die Tochter der Hexe

040 - Die Tochter der Hexe

Titel: 040 - Die Tochter der Hexe
Autoren: Hugh Walker
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wenig Zeit hatte ich gewonnen, vielleicht auch für Pesch. Aber ich gab mich keinen Illusionen hin. Er würde in keinem Fall rechtzeitig wieder zurück sein, um mir noch helfen zu können.
    Tamira musterte mich grinsend, während Luvia sich bemühte, mich nicht anzusehen. Ich fragte mich, was Mädchen wie Tamira und Tavala so werden ließ. Ein angeborener Hang zum Sadismus wohl. Luvia hingegen schien in tiefen Gewissensqualen mit sich und ihrem Glauben. Es wäre interessant gewesen, zu wissen, ob sich viele der Kinder in solchen Gewissensnöten befunden hatten, oder ob genügend Sadismus in uns allen war, um einem Kult wie diesem etwas abzugewinnen? Wie stand es wohl mit den Knaben dieser Gemeinde? Das Priesteramt schien jedenfalls ausschließlich Mädchen vorbehalten. Wie jede Art von Hexenkult schien auch dieser um Lilith dem Weiblichen eine dominierende Rolle zuzuordnen.
    „Vielleicht sollten wir uns auch vergewissern, ob er die Wahrheit gesagt hat“, meinte Tamira und setzte die Nadel an.
    Ich schrie auf.
    Luvia ballte die Fäuste und stieß das Mädchen zur Seite. Die Pein hörte auf.
    Wut leuchtete in Tamiras Augen.
    „Als zukünftige Priesterin der Lilith befehle ich dir, damit aufzuhören!“ sagte Luvia fest.
    „Du bist es noch nicht!“ zischte Tamira. „Du hast mir nichts zu befehlen!“
    „Ich werde die gnädige Frau von deinem Ungehorsam unterrichten.“
    „Nur zu“, erwiderte Tamira höhnisch. „Sie hält dich längst für eine Zimperliese. Wir werden sehen, wem sie recht gibt!“ Sie stieß die Nadel erneut in die Puppe, tiefer diesmal, daß mir rote Schleier das Bewußtsein raubten.
    Als ich Sekunden oder Minuten später wieder zu mir kam, sah ich, daß der blonde Teufel reglos am Boden lag. Irgendwie mußte Luvia sie niedergeschlagen haben. Sie sah zu mir hoch.
    „Verzeihen Sie“, bat sie. „Einige von uns wollen nur quälen. Ich schäme mich für sie und werde es nicht zulassen. Wir sind nicht alle so, und es kann nicht Liliths Wille sein!“
    Ein Geräusch ließ sie herumfahren. Ihre Augen wurden weit vor Entsetzen. Die Tür wurde aufgestoßen, und eine dunkle Gestalt kam herein.
    Ihre Dunkelheit rührte von dem Schlamm des Moores her, der sie triefend umgab und nicht mehr als Augen und Mund und Finger freiließ.
    Ich erkannte sie sofort.
    „Gisela!“ entfuhr es mir.
    Sie sah zu mir hoch und bemerkte mich zum erstenmal. Ihr Gesicht verzog sich zu einer Grimasse, die unter dem Schmutz nicht zu deuten war. Dann kam sie auf mich zu, während das Mädchen mit einem Aufschrei floh.
    Gis kümmerte sich nicht um sie. Sie erreichte den Tisch.
    „Die Puppe, Gis. Zieh die Nadel heraus!“
    Zögernd kam sie meiner hysterisch klingenden Bitte nach. Als die Nadel aus dem Wachs glitt, wich die Starre aus meinen Gliedern. Ich fiel zu Boden, so schwach fühlte ich mich, und rang keuchend nach Atem.
    Sie warf angewidert die Nadel zur Seite und betrachtete die Puppe.
    „Vernichten!“ krächzte ich. Schritte näherten sich vom Korridor. „Rasch, Gis!“
    Sie hielt sie in die Flamme einer Kerze, und ich sah erleichtert, wie sie schmolz und das Haar verbrannte. Ich rappelte mich mühsam auf die Beine und fühlte die Kraft in die Glieder zurückkehren.
    Sie hielt mir die Hände entgegen und half mir vom Altar.
    „Daß du nur lebst“, murmelte ich glücklich.
    „Wir haben nicht viel Zeit“, flüsterte sie.
    „Wie bist du hereingekommen?“ Ich küßte sie rasch auf ihre lehmigen Lippen. „Und wie hast du es nur geschafft, diesen Mördern zu entkommen?“
    „Später“, drängte sie. „Wir müssen fort, Robbie.“
    „Nicht ohne …“, begann ich.
    „Ohne was?“ rief jemand an der Tür.
    Die Tamil stand dort, und hinter ihr drängten sich die Mädchen.
    „Zu spät“, murmelte ich und griff nach dem kleinen Tisch vor dem Altar. „Aber diesmal nehme ich ein paar mit!“
    „Keine Angst“, flüsterte Gisela. „Sie kann mir nichts anhaben.“ Sie drängte mich zurück. „Bleib hinter mir.“
    Das war nicht nach meinem Geschmack, aber ich dachte, daß sie wohl wußte, wovon sie sprach. Schließlich lebte sie immer noch. Ich hielt aber trotzdem den Tisch bereit.
    Die Augen der Tamil wurden auf einmal weit in plötzlichem Begreifen.
    „Du bist nicht Gisela Kurtz“, sagte sie. „Du bist …“
    „Halten Sie den Mund!“ sagte Gis scharf.
    Die Alte schien jedoch ihren Schreck zu überwinden. „Du bist dennoch in meiner Gewalt“, sagte sie höhnisch.
    Gis schüttelte den Kopf. „Sie können
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