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040 - Die Tochter der Hexe

040 - Die Tochter der Hexe

Titel: 040 - Die Tochter der Hexe
Autoren: Hugh Walker
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ein Gefühl, das sagte, mit der Kleinen ist nicht alles richtig.
    Sie wollte mir offenbar nicht mehr antworten, und ich sah mich an einem toten Punkt angelangt. Ich bin überhaupt nicht der gesprächige Typ, was nicht bedeuten soll, daß ich vielleicht schüchtern oder unentschlossen bin. Im Gegenteil, ich hatte bereits einen Entschluß gefaßt.
    Grüßend verließ ich den Laden und sah mich um. Gegenüber war ein kleiner Park. Ich lief über die Straße. Die Laternen brannten bereits, aber hinter den Hecken war ich gut verborgen und konnte das Geschäft im Auge behalten.
    Ich wartete beinah eine halbe Stunde. Obwohl es schon ziemlich dunkel wurde, drehte sie seltsamerweise im Laden kein Licht an. Möglicherweise, um keine Kunden anzulocken. Aber was konnte sie in der Finsternis tun?
    Als sie endlich herauskam, atmete ich auf. Ich hatte schon befürchtet, daß es so etwas wie einen Hinterausgang gäbe. Ein leeres Taxi kam die Straße herauf. Fluchend kam ich zwischen den Büschen hervor. Wenn sie einstieg, hatte ich das Nachsehen. Aber sie interessierte sich weder für das Taxi noch für meine Straßenseite, sondern schritt zielbewußt Richtung Innenstadt. Und ich hinter ihr her.
    Sie hatte einen seltsamen fließenden Gang. Es mochte zum Teil auch an dem plissierten Rock ihres Kleides liegen, der wie ein Schleier um ihre Beine flatterte und an ihrem langen blonden Haar, das wie unter einem unsichtbaren Wind flog. Aber die Luft war still.
    Als wir den Stadtplatz erreichten, hielt sie an und sah sich um. Dann schritt sie quer über den Platz, und mir war klar, wohin sie ging: zu jener Stelle, an der die brennende Frau gesehen worden war!
    Ich irrte mich nicht.
    Es war ein wenig schwierig, ihr über den offenen Platz zu folgen. Wenn sie sich umdrehte, mußte sie mich bemerken. Aber sie drehte sich nicht um. Es schien sie überhaupt nicht sehr zu kümmern, was um sie geschah, denn ein Wagen brauste heran und wich erst im letzten Augenblick aus, als ich schon den Atem anhielt. Sie starrte nur nach oben auf jenen imaginären Punkt, an dem die Frau geschwebt hatte. Die Scheinwerfer tauchten ihre schmale Gestalt einen Augenblick in grelles Licht.
    Für einen Moment schienen sie durch sie hindurch, durch ihren Körper. Vielleicht hätte ich es später für eine Spiegelung des Lichtes gehalten, wenn nicht noch etwas geschehen wäre.
    Als der Wagen quietschend hundert Meter weiter zum stehen kam, verschwand das Mädchen vor meinen Augen. Es war, als löschte sie jemand aus.
    Ich begann auf den Punkt zuzulaufen, an dem ich sie zuletzt gesehen hatte. Auch der Wagen rollte heran. Sekundenlang dachte ich, daß alles ein Trugbild war und daß der Wagen sie niedergefahren hatte. Auch der Fahrer schien das gleiche zu denken. Er sprang aufgeregt und blaß aus seinem Wagen und sah sich verwundert um. Er bemerkte mich. „Haben Sie es gesehen?“ stammelte er. „Wo ist das Mädchen?“
    Ich gab ihm keine Antwort. Ich sah mich gründlich um, aber ich ahnte, daß es vergeblich sein würde. Ich hatte das Mädchen verschwinden sehen. Ich mußte nur versuchen, es zu glauben!
    „Sie ist verschwunden“, bemerkte der Mann neben mir wie zur Bestätigung, aber er meinte es anders. Er schüttelte den Kopf. „Da hat sie aber Glück gehabt.“ Und deutlich erleichtert fügte er hinzu: „Und ich nicht minder.“
    Die Frage, wohin sie verschwunden sein könnte, kam ihm gar nicht in den Sinn. Er war zu erleichtert, um zu bemerken, daß es auf dem ganzen weiten Platz keine Möglichkeit gab, sich zu verbergen. Ich wußte, ich hätte sie sehen müssen. Sie konnte nicht so schnell laufen. Gewiß war das Lichtgemisch aus Neonreklamen und Straßenlampen trügerisch. Aber dennoch hätten wir sie sehen müssen.
    Der Mann stieg in seinen Wagen, kam aber nach einem Augenblick zurück.
    „Verzeihen Sie. Ich hätte gern Ihren Namen und Ihre Adresse. Als Zeugen, verstehen Sie, wenn die Sache vielleicht doch noch ein Nachspiel haben sollte.“ Er hielt mir einen Zettel und Kugelschreiber hin.
    Er war offenbar einer der ganz Vorsichtigen, und das war ihm gar nicht einmal zu verdenken. Es war wirklich unheimlich.
    Ja, das war das rechte Wort.
    Unheimlich!
     

     

Ich ließ das Ganze nicht auf sich beruhen. Mehr denn je drängte es mich danach, mehr darüber herauszufinden. Etwas geschah in dieser Stadt, das sich nicht rational erklären ließ. Wenigstens noch nicht.
    Ich bin nicht abergläubisch. Ich glaube nicht an Geister und Dämonen – wenigstens nicht in
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