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0394 - Der knöcherne Tod

0394 - Der knöcherne Tod

Titel: 0394 - Der knöcherne Tod
Autoren: Werner Kurt Giesa
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irgendwann aus eigener Kraft zu befreien, gleichgültig, wie viel Zeit er dafür brauchen würde…
    Anfangs hatte er befürchtet, daß bald allerlei Insekten und sonstiges Kleingetier zu ihm kommen und ihn peinigen würde. Er konnte sie ja nicht verscheuchen, die kleinen Quälgeister. Aber zumindest in diesem einen Punkt wurde er angenehm enttäuscht. Es gab hier keine Insekten. Es gab überhaupt keine Tiere in der Umgebung. Keine zirpenden Grillen, kein Nachtvogel, der schrie… kein heiseres Bellen eines Fuchses… nichts. Es gab auch keine Pflanzen. Das Licht von Mond und Sternen zeigte Wang eine absolut öde Geröllfläche. Es war eine Landschaft, wie er sie nie zuvor gesehen hatte. Er zweifelte plötzlich daran, daß er sich überhaupt noch auf der Erde befand.
    Damit sanken die Chancen, daß jemand kam, um ihn zu befreien…
    Allmählich begannen seine Gliedmaßen zu schmerzen. Ihm fehlte die Bewegung. Und das war noch längst nicht alles, was für ihn zum Problem wurde. Zudem konnte er nur flach atmen; sein Brustkorb hatte nur wenig Spielraum.
    Er fragte sich, wann diese Qual ein Ende haben würde. Wollte man ihn hier umkommen lassen? Oder würde irgendwann jemand erscheinen, der sich seiner annahm? Und wenn’s der Satan selbst war - Wang Lee wünschte sich, daß jemand kam. Und ihn hier herausholte…
    Hoffentlich verlor er nicht vorher den Verstand…
    Oder verdurstete…
    Die Zeit, die Wang nicht mehr abschätzen konnte, verstrich und dehnte sich zu Ewigkeiten. Er versuchte sie am Lauf der Gestirne zu messen, aber irgendwie bekam er es nicht hin. Es war, als blockierte etwas seine Gehirntätigkeit. Er war nur noch darauf fixiert, eine Möglichkeit der Befreiung zu finden und zu hoffen, daß endlich jemand erschien, um sich seiner anzunehmen.
    Ganz gleich, in welcher Form…
    Damit dieses furchtbare Warten sein Ende fand…
    ***
    Sid Amos wußte nicht mehr, wie viele Versuche er schon unternommen hatte, Wang Lee zu finden, als es plötzlich klappte.
    Im Projektionsdreieck zwischen seinen aufgespannten Fingern begann sich ein Bild abzuzeichnen. Amos sah einen Kopf, der aus dem Erdboden ragte…
    Es war Wang Lees Kopf. Das Gesicht verzerrt, das Haar wirr. Der Mongole wirkte total erschöpft. Aber er lebte - sonst hätte Amos ihn nicht finden können. Denn Wang sandte seine Besußtseinsaura nur aus, solange er lebte. Wenn er starb, verlosch sie…
    Aber, wo zum Teufel steckte er?
    Man hatte ihn eingegraben, in einer bizarren Landschaft, von der Amos annahm, daß sie nicht auf der Erde zu finden sein konnte. Oder doch…? Sicher, denn sonst hätte er Wang ebenfalls nicht finden können!
    Aber Amos konnte sich nicht erinnern, eine solche Landschaft jemals gesehen zu haben. Und er war verdammt weit herumgekommen in der Welt.
    Immerhin, er hatte ihn gefunden.
    Amos versuchte langsam, das Spektrum zu erweitern. Er brauchte einen größeren Überblick. Er mußte mehr von der Umgebung sehen, um Wang lokalisieren zu können. Er steuerte seine Beobachtung so, daß sie sich von Wang entfernte. Es war, als bediene Amos eine fliegende Kamera, die über Wang Lee schwebte und jetzt allmählich an Höhe gewann. Nur so konnte er hoffen, die Landschaftsform weiträumig zu überblicken und feststellen zu können, wo sie sich befand.
    Die Ödfläche besaß eine beachtliche Ausdehnung. Ein kleines Dorf hätte darauf Platz gehabt, wenn man es am Hang empor gebaut hätte. Berge… das schränkte die Wahl der Örtlichkeiten schon einmal etwas ein.
    Amos »ging höher«. Wangs Kopf war zu einem winzigen Punkt in dem ohnehin kleinen Bild geschrumpft. Und er wurde immer kleiner, ein Staubkörnchen nur noch, schließlich nicht mehr zu sehen.
    Wang sah eine Stadt. Einen Fluß, der sich zwischen den Bergen hindurchwand. Die Berge bildeten eine Art V, und in ihm lag die Stadt und auch die Einöde. Da war ein Küstenstreifen…
    Weiter, höher… immer noch konnte es eine Million verschiedener Plätze geben, an denen Wang eingegraben worden war.
    Ein Gebirgszug erhob sich in der Mitte des relativ schmalen Landstreifens. Rechts und links waren Küstenregionen, war Wasser…
    Italien? durchzuckte es Amos.
    Er versuchte sich die Umrisse des Landes vorzustellen und mit diesem Bild deckungsgleich werden zu lassen. Die Ähnlichkeit war verblüffend…
    Ja. Es war Italien. Immer deutlicher erkannte Amos es. Dort war der Apennin, dieser lange Ausläufer der Alpen, der in einem weiten Bogen an der französischen Grenze entlangwanderte, sich dann
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