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0368 - Samarans Todeswasser

0368 - Samarans Todeswasser

Titel: 0368 - Samarans Todeswasser
Autoren: Jason Dark
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daß dieses Haus für zwei Personen einfach zu groß war. Die Hälfte hätte ausgereicht, eigentlich noch weniger, und dann hätte sie auch die Bücher ihres Mannes noch immer unterbringen können.
    Aber Horace F. Sinclair, der pensionierte Anwalt, wollte es so, und dabei blieb es. Zudem brauchte Mary nicht zu putzen. Aus Lauder kamen zweimal in der Woche Mädchen, die das Haus in Ordnung hielten.
    Normalerweise traf auch sie sich mit einigen Frauen, wenn die Männer ihren Stammtisch hatten, aber zwei ihrer Freundinnen lagen mit einer Grippe im Bett, so war das Treffen an diesem Freitag ausgefallen.
    Mary Sinclair spürte die Einsamkeit inmitten des Hauses. Dann kamen ihr stets trübe Gedanken und sie dachte darüber nach, wie es wohl sein würde, wenn einer von ihnen nicht mehr war.
    Eine Gänsehaut überlief sie. Dann würde die große Leere über Horaceoder sie kommen, wie ein Tuch, das nicht mehr wegzuziehen war. Mary hoffte jedesmal, daß beide von ihnen noch lange leben würden, um diesen stummen Schrecken so weit wie möglich hinauszuschieben.
    Da Mary Sinclair nicht TV-süchtig war, ließ sie die Glotzkiste ausgeschaltet. Statt dessen hörte sie leise Musik, denn im Arbeitszimmer ihres Mannes, in dem sie saß, befand sich auch die Stereo-Anlage. Die grauhaarige Frau mit dem noch fast faltenlosen Gesicht und den gütigen Augen liebte Mozart, Vivaldi und Beethoven. Diese Melodien verschönerten ihr und ihrem Mann so manch langen Winterabend. Beide hatten die Kälte satt. In Schottland, das wußten sie, würde der Frühling erst später beginnen. Das sah in London ganz anders aus. Da blühten die Bäume früher.
    Wenn sie an London dachte, erinnerte sie sich automatisch an ihren Sohn John.
    Er war das einzige Kind der beiden, und er bereitete seiner Mutter auch als Erwachsener noch viele Sorgen. Jetzt mehr als früher, als sie sich um die Erziehung kümmern mußten.
    John war nicht Anwalt geworden, wie es der Vater gern gesehen hätte, sondern hatte einen Job angenommen, den man mit ruhigem Gewissen als lebensgefährlich bezeichnen konnte, und dabei war nichts übertrieben worden. Ihr Sohn schlug sich mit Geistern, Gespenstern und Dämonen herum. So manches Mal war er nur knapp mit dem Leben davongekommen, und auch seine Eltern waren schon öfter in Fälle mit hineingezogen worden.
    Irgendwann mußte es einmal schiefgehen! Vor diesem Tag hatte sie Angst. John konnte nicht immer Glück haben, aber jedes Gespräch darüber wehrte John Sinclair lachend ab. Davon wollte er nichts hören, und sein Vater unterstützte ihn auch noch bei seinen Argumenten.
    Dabei hätte sich Mary Sinclair so sehr eine große Familie gewünscht. Vier Enkelkinder hatte sie immer haben wollen, aber wenn sie in die Zukunft schaute, würde dies wohl immer ein Wunschtraum bleiben, obwohl es hier in Lauder ein Mädchen gab, das John Sinclair gern geheiratet hätte.
    Die Kleine hieß Helen Cloud, und sie hätte so gut zu ihrem Sohn gepaßt. Aber es war nicht mehr so wie früher, wo die Eltern den Kindern die Ehepartner aussuchten.
    Bei einer Heirat hätte John natürlich seinen Job aufgeben müssen, nur konnte er das nicht mehr, wie er seiner Mutter glaubhaft versichert hatte. Er steckte einfach zu tief drin.
    Die letzten Töne einer Beethoven-Sinfonie verklangen.
    Noch ein leises Knacken, dann kehrte Stille ein. Es war eine Ruhe, die sie mochte. Mary kannte sich. Bevor sie eine neue Platte auflegte, würde sie minutenlang die Ruhe genießen.
    Aus den Minuten wurde diesmal über eine Stunde, denn die ältere Frau konnte sich nicht mehr wachhalten. Wie von selbst fielen ihr die Augen zu. Als sie erwachte und aufschreckte, wurde sie direkt blaß, denn es war schon bald Mitternacht.
    »So was«, murmelte sie. »Bin ich doch tatsächlich eingeschlafen. Das kommt davon, wenn man alt wird.« Sie stemmte sich aus dem Sessel und blieb für einen Moment neben ihm stehen, um die Glieder zu recken. Bevor sie zu Bett ging, wollte sie noch ein wenig Mozart hören. Dann mußte ihr Mann auch bald erscheinen, denn um Mitternacht löste sich der Stammtisch zumeist auf.
    Der Holzboden des Arbeitszimmers war mit dicken Teppichen belegt. Die Schritte der Frau waren kaum zu hören. Da im Kamin kein Feuer brannte, hielt sie eine nahezu gespenstische Stille umfangen.
    Und die wurde gestört.
    Mary Sinclair vernahm die Laute, als sie die Hälfte des Weges hinter sich gebracht hatte. Sie kannte ihr Haus, sie kannte jeden Winkel, sie wußte, wann und wo das Holz
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