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0353 - Die Vampirkutsche

0353 - Die Vampirkutsche

Titel: 0353 - Die Vampirkutsche
Autoren: Werner Kurt Giesa
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Eine halbe Stunde nach dem Verlöschen des letzten Tageslichtes erwachte er wieder, so wie er es sich vorgenommen hatte.
    Die Nacht war die Domäne des Vampirs.
    ***
    Elena hatte einige Stunden geschlafen. Die Mädchen hatten sich eine Weile unterhalten, bis die Gesprächsthemen erschöpft waren. Es drehte sich ohnehin alles nur um den Ort, an dem sie gefangengehalten wurden, um Möglichkeiten, von hier zu entfliehen, und um ihren unbekannten Kidnapper, den Vampir. Welches Schicksal sie erwartete, davon sprachen sie nicht, denn es war ihnen klar. Sie würden Opfer des Vampirs werden und vielleicht irgendwann selbst als Untote durch die Nacht streifen.
    Elena fror innerlich, als sie daran dachte, daß das vielleicht sogar schon geschah. Wer sagte denn, daß sie nachts hier in dem feuchtkalten Kellerraum verharrten? Sie konnten sich doch an nichts erinnern! Vielleicht jagten sie im Zustand der Erinnerungslosigkeit bereits ihre Opfer?
    Immer wieder tastete sie nach ihrem Hals und nach ihrem Gebiß. Aber die Zähne fühlten sich noch völlig normal an, waren noch nicht spitz hervorgewachsen. Elena entsann sich, daß man einen Vampir an seinem fehlenden Spiegelbild erkennen konnte. Aber hier gab es keinen Spiegel.
    Irgendwie war plötzlich Essen dagewesen und das benutzte Geschirr spurlos wieder im Nichts verschwunden, und für weitergehende Bedürfnisse gab es einen Bretterverschlag, an dessen Gestank sie sich inzwischen alle gewöhnt hatten. Es mangelte im Grunde an allem, und Elena versuchte sich vorzustellen, wie sich im Mittelalter Strafgefangene gefühlt haben mochten, die in Kerkern der Zwingburgen und Stadtgefängnisse schmachteten.
    Elena hatte ihr Zeitgefühl verloren, und so erschrak sie, als es dunkler wurde. Draußen kam der Abend, kam die Nacht, und das Licht, das durch den Lüftungsschacht fiel, wurde immer düsterer. Sie hatten mit vereinten Kräften versucht, das Gitter vor der Öffnung zu beseitigen. Aber keines von beiden war ihnen gelungen. Sie konnten nur abwarten und hoffen und harren.
    Das Reden der anderen hatte Elena aus ihrem Schlaf geweckt, in den sie schließlich gefallen war. Jetzt redete sie selbst wieder eifrig mit. Zweck der Übung war es, wach zu bleiben, wenn die Nachtstarre sie überwältigen wollte. Sie wollten nicht wieder ohne Erinnerung am anderen Morgen erwachen.
    Was immer es war, das sie einschläferte, es mußte stark sein.
    Elena merkte plötzlich, wie ihr das Sprechen schwerer fiel. Wie sie nur noch lallte, unzusammenhängende Worte von sich gab. Sie zwang sich mühsam, wieder Klarheit in ihre Gedanken zu bringen, die so wirr geworden waren wie Träume. Sie registrierte, daß es den anderen ähnlich erging. Ihre Stimmen wurden leiser, die Worte kamen seltener und undeutlicher. Nacheinander verstummten sie. Ihre Augenlider waren geschlossen, und sie standen reglos in der Kammer wie Statuen.
    Elena ahnte sie mehr, als daß sie sah. Denn es war inzwischen völlig dunkel geworden hier unten.
    Elena kämpfte gegen die Müdigkeit und gegen die beginnende Erstarrung an. Sie wollte das nicht! Sie wollte aktiv bleiben! Irgend etwas geschah in den Nächten mit den gefangenen Mädchen, und sie wollte wissen, was. Mit unerbittlicher Zähigkeit hielt sie sich wach, ging hin und her, um in Bewegung zu bleiben, aber sie merkte kaum, daß ihre Schritte kürzer und langsamer wurden. Allmählich bezwang die seltsame hier herrschende Magie auch sie.
    Sie sah noch irgendwo einen schwachen Lichtschein, ohne zu erkennen, woher dieser kam, und sie glaubte, jemanden zu sehen, der den Kerkerraum, betrat. Aber dann setzte ihr Begreifen endgültig aus.
    Als letzte der fünf Mädchen war auch sie der Erstarrung erlegen…
    ***
    Janos Baron von Roatec dagegen erwachte wenig später, als jemand den Deckel seines mit Samt ausgeschlagenen Sarges anhob. Die gut geölten Scharniere gaben keine Geräusche von sich.
    Der Vampir öffnete die Augen. Er war schon wach gewesen, als die letzten Strahlen der Sonne hinter den Bergen versanken, aber er hatte noch vor sich gedöst und in Erinnerungen an früher geschwelgt.
    Aber nichts war mehr wie früher. Zu viel Zeit war vergangen, und diese Zeit war schnellerlebig als einst. In den 169 Jahren hatte sich mehr ereignet und verändert als in den 1690 Jahren zuvor, hatte der Vampir bestürzt erkennen müssen. Nur noch wenig erinnerte an einst.
    Der Verhutzelte, sein Knecht, beugte sich über ihn. »Wenn Herr Baron geruhen möchte sich zu erheben…? Nichts von Bedeutung
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