Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
035 - Wettlauf gegen die Zeit

035 - Wettlauf gegen die Zeit

Titel: 035 - Wettlauf gegen die Zeit
Autoren: Jo Zybell
Vom Netzwerk:
sehen. Dann die Grafik des Navigationscomputers unter der Wolkendecke noch immer die Weiten des Atlantiks. Die nordamerikanische Ostküste war noch genau
    1134 Kilometer entfernt. Ein Blick auf die Tankkontrolle 16 Prozent. Das reicht… Daves Pulsschlag verlangsamte sich. Das müsste reichen…
    Der Schock über sein Nickerchen war ihm mächtig in die Glieder gefahren; hellwach war er jetzt. Seine Finger flogen über die Tastatur des Navigationsrechners. Er wollte wissen, wie lange er bei gleichbleibender Geschwindigkeit noch brauchen würde, bis er die Küste erreichte. Achtunddreißig Minuten, behauptete der Rechner. Dave blickte auf die Zeitangabe 11:32 Uhr.
    Die Erregung, die Dave jetzt ergriff, hatte nichts Schockartiges mehr.
    Eine Mischung aus Lampenfieber, Neugier und Furcht war es. Er fieberte dem Augenblick entgegen, in dem er die Wolkendecke durchstoßen und die Ostküste seiner Heimat sehen würde.
    Fünfundzwanzig Minuten später war es so weit. Er stellte den Autopiloten aus und drückte den Jet nach unten. Noch ein Blick zurück auf den Sonnenball im Osten. »Wer weiß, wann wir das gute Stück wiedersehen, Mickey…«
    Dann drosselte er die Geschwindigkeit bis auf unter 700 Knoten; der Leuchtbalken des Höhenmessers sackte auf 11.000 Fuß ab. Bald tauchte die Maschine in die Wolkenbank ein. Eine dunkelgraue Wäschküche dampfte außerhalb der Cockpit-Kuppel. Daves Hände schwitzten, sein Atem flog.
    Und dann wurde es hell zweieinhalb Kilometer unter ihm breitete sich die blaugraue Fläche des Atlantiks aus, und vor ihm, vielleicht zehn oder fünfzehn Kilometer entfernt, erstreckte sich die Küste.
    »Sweet home…!« Dave lachte befreit auf.
    »Sweet home America…!« Er schaltete den Radar ein und nahm das Tempo weiter zurück, bis auf 400 Knoten.
    Es schneite nicht. Doch die Küste, die er Minuten später erreichte, war weiß. Auch hier herrschte Winter Dave hatte es nicht anders erwartet. Er ging bis auf 300 Fuß hinunter.
    Durch die Frontkuppel sah er eine Stadt, vier oder fünf Kilometer entfernt. »Washington! Jesus Christus! Das ist Washington D.C.!« Er blickte nach unten. Alles weiß verschneite Wälder, verschneite Ruinen und dazwischen ein breiter weißer Streifen. »Der Potomac! Zugefroren!«
    Dave drückte die Maschine auf 160 Fuß hinunter. Mit 140 Knoten raste sie über die breite Eisfläche. »Ich setz auf dem Eis auf!« Dave merkte nicht, dass er schrie. »Auf dem Eis, Mickey, was meinst du?!«
    Die weiße Fläche fiel ihm entgegen. »Runter mit den Bremsklappen! Raus mit dem Fahrwerk!« Seine Finger flogen über die Instrumentenkonsole. Ein Ruck ging durch die Maschine. Die Geschwindigkeit sank rapide bis unter 80 Knoten. Dave behielt den Höhenmesser im Auge: 90 Fuß… 80… 60… 30 Fuß…
    Die Druckwelle des Jets wirbelte den Schnee unter ihm auf. Bei 20 Fuß hüllte ihn eine weiße Fontäne ein, Schnee fegte über die Tragflächen, klatschte gegen die Frontkuppel. Mit knapp 30 Knoten, nicht ganz 60 km/h also, setzte der Jet auf. Das Eis hielt! Dave löste den Bremsfallschirm aus. Im nächsten Moment stürzte er in die Gurte.
    Er sah weiter nichts als Schnee, kniff die Augen zusammen, hielt den Steuerknüppel fest, stemmte seine Beine in den Fußraum. Die Maschine verlor schlingernd an Geschwindigkeit, blieb aber auf Kurs, wurde langsamer und langsamer… und dann stand sie still. Schnee rutschte vom Glas des Cockpits. Dave atmete ein paar Mal tief durch; er keuchte wie ein Gewichtheber, der gerade dreihundert Kilo gerissen hatte. »Das hast du… ganz prima… hingekriegt… Professor… ganz prima…«
    Er blickte nach links. Eine Insel wölbte sich aus der Eisfläche. »Roosevelt Island, ich glaubs nicht…« Er blickte nach rechts eine hohe Steinmauer erhob sich nahe am Ufer. Dave fühlte sich an eine mittelalterliche Stadtmauer erinnert. »Was ist aus dir geworden, Washington…?«
    Dann klappte er die Cockpit-Kuppel auf. Er stellte sich auf den Pilotensitz und sah sich um. Hinter dem Jet klaffte eine tiefe Furche im Schnee, gut zehn Meter breit. Und rechts diese Stadtmauer. Dave erkannte zugespitzte Pfähle auf ihrer Krone. Er schüttelte den Kopf.
    »Verschanzen müsst ihr euch also«, murmelte er, »verschanzen wie in Bürgerkriegszeiten… ?« Unbehagen beschlich ihn, eine beklemmende Vorahnung.
    Er putzte seine beschlagene Brille. Danach kramte er Fellmantel, Deckenbündel und Proviant aus dem Fußraum des hinteren Sitzes.
    Den Mantel streifte er über; es war lausig
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher