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035 - Das Wachsfigurenkabinett

035 - Das Wachsfigurenkabinett

Titel: 035 - Das Wachsfigurenkabinett
Autoren: Neal Davenport
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ansprach, zuckte sie zusammen. Und dann verschwand sie. Vor drei Wochen. Sie hat nichts mitgenommen. Alle ihre Kleider, ihren Schmuck, alles, was ihr gehörte, ließ sie zurück. Wohin sie verschwand, weiß niemand. Und seit dem Verschwinden war Miriam ebenfalls verändert. Sie fühlte sich schwach und sah überall Gespenster. Sie behauptete, daß verschiedene Gegenstände zum Leben erwachen würden und sie packen wollten. Hirngespinste, ich weiß, aber sie sagte es. Und heute, bei ihrem zweiten Auftritt hier, wirkte sie besonders seltsam. Sie brachte eine neue Nummer, doch wenn ich es mir jetzt so überlege, war es keine neue Nummer.«
    »Was meinen Sie damit?«
    Max preßte die Lippen zusammen. »Das ist schwer zu sagen.
    Ich kann es nicht in Worte fassen. Zuerst zog sie ihre Nummer wie üblich ab, doch dann … Es war so, als würde sie mit einem Unsichtbaren kämpfen, verstehen Sie? Sie wand und drehte sich und rief dabei: ‚Nicht!’ und ‚Nein!’ Es sah gut aus. Mal was anderes, aber vielleicht steckte doch mehr dahinter. Ich lese gern Geisterstories und da – naja, da passieren auch so seltsame Dinge. Ich weiß natürlich, daß es so was nicht gibt, aber sie verhielt sich so anders, so ganz anders. Und alles begann mit dem Verschwinden von Kathy. Vielleicht war sie wahnsinnig. Ich kann es nicht sagen.«
    Max schwieg.
    »Erzählen Sie weiter!« drängte Dorian.
    »Ja, das wäre eigentlich alles. Sie sagte, sie sähe Schatten,
    überall Schatten, die in allen Ecken lauerten und sie verschlingen wollten. Das ist natürlich Unsinn.« Er schwieg. »Oder vielleicht doch nicht?«
    Er sah Dorian an, der interessiert zugehört hatte. Überall stieß er auf Schatten. Die Vampire machten sich Sorge wegen eines Schattens, Phillip überpinselte die Schatten mit schwarzer Farbe, und der Klubbesitzer sprach nun ebenfalls von Schatten. Dorian war ziemlich sicher, daß zwischen diesen Vorfällen ein Zusammenhang bestand.
    »Ich möchte mit einer der Stripteasetänzerinnen sprechen«, sagte er.
    »Das läßt sich machen«, meinte Max und stand auf.
    Fünf Minuten später kam er mit dem Mädchen zurück, das bei Dorians Eintritt ‚mit ihrer Nummer begonnen hatte. Sie war eine dreißigjährige Frau, deren Gesicht auch die dick aufgetragene Make-up-Schicht keinen Reiz verlieh. Unter der Puderschicht zeichneten sich die Tränensäcke und tiefen Falten deutlich ab. Die Haarwurzeln waren dunkel und das Haar honigfarben gefärbt. Sie trug einen weißen, schmutzigen Morgenrock, der über dem Busen weit offenstand und ihre schweren Brüste sehen ließ. Sie setzte sich und überkreuzte die dicken Beine.
    »Was gibt’s, Süßer?« fragte sie und sah Dorian gleichgültig an.
    »Was können Sie mir über Miriam und Kathy erzählen?«
    »Über die beiden wollen Sie was wissen?« Sie verzog verächtlich die Mundwinkel. »Ich kannte die beiden kaum. Die hatten doch nur Augen für sich. Waren ganz schön scharf aufeinander. Ich überraschte sie mal in der Garderobe. Sie trieben es ganz schön bunt. Wollen Sie Einzelheiten darüber hören?«
    Dorian schüttelte den Kopf. »Nein, ich will wissen, wie sie zu den anderen Mädchen standen.«
    »Da kann ich Ihnen nicht helfen, Mister«, sagte sie. »Keine Ahnung. Sie grüßten uns zwar, aber sonst wollten sie nichts mit uns zu tun haben. Waren ziemlich eigenartig die beiden. Sie paßten überhaupt nicht zu uns. Tut mir leid, ich kann Ihnen nicht helfen.
    Ich sprach kaum zehn Worte mit den beiden.«
    Dorian fuhr nachdenklich zurück in die Villa in der Baring Road. Alle schliefen schon. Coco bewegte sich, als er ins Schlafzimmer trat. Er zog sich in der Dunkelheit aus und legte sich ins Bett. Lange konnte er nicht einschlafen. Seine Gedanken beschäftigten sich mit dem seltsamen Tod des Mädchens.
     

     
    Als er kurz wach neun Uhr das Frühstückszimmer betrat, lag ein dicker Briefumschlag auf dem Tisch. Dorian setzte sich und riß das Kuvert auf.
    Oberlauf lag ein Bericht über das Wachsfigurenkabinett der Madame Picard, den er vorerst zur Seite legte. Außerdem war mit einer Büroklammer ein Zettel an fünf Farbfotos befestigt.
    Die Fotos sind sehr interessant, O.I. stand darauf.
    Dorian nahm sich die Fotos vor. Das erste zeigte eine Porträtaufnahme von Miriam, das zweite eine von Kathy. Beim dritten Bild hielt Dorian unwillkürlich den Atem an. Es zeigte Kathy vor einem Haus. Sie stand neben einer Laterne, die einen deutlichen Schatten warf, doch Kathy warf keinen Schatten. Auf dem
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