Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
035 - Das Wachsfigurenkabinett

035 - Das Wachsfigurenkabinett

Titel: 035 - Das Wachsfigurenkabinett
Autoren: Neal Davenport
Vom Netzwerk:
Figuren. Dort löste sich augenblicklich etwas Wachs ab.
    Nachdenklich ging er weiter, fand aber nichts Besonderes mehr. Aus der ganzen Sammlung ragte nur die Darstellung des Vampirs und seines Opfers heraus.
    Ein junges Paar betrat den Raum und sah die Figuren an. Ihren Kommentaren entnahm Dorian, daß beide von den Schaustücken wenig begeistert waren.
    Dorian verließ den Raum und blieb vor der Kasse stehen.
    »Ich würde gern mit Madame Picard sprechen«, sagte er zu der Alten. »Läßt sich das machen?«
    Die alte Frau nickte.
    »Ja«, sagte sie und druckte auf einen Knopf, der vor ihr aus der polierten Tischplatte ragte. »Madame Picard wird sofort kommen.«
    Eine halbe Minute später trat eine hochgewachsene Frau aus einer Tür und kam auf Dorian zu. Er drehte sich um und musterte sie genau. Die Ähnlichkeit mit dem Foto, das er vom O. I. erhalten hatte, war nur gering.
    Madame Picard trug einen weiten schwarzen Rock, der bis zum Boden reichte. Ein schwarzes Mieder spannte sich um ihre festen Brüste; sie trug eine tiefausgeschnittene schneeweiße Bluse mit weiten Ärmeln. Schwere Ringe funkelten an ihren Fingern. Um den Hals wand sich eine geflochtene Goldkette mit einem riesigen Medaillon. Das pechschwarze Haar hatte sie in ihrem Nacken zu einem großen Knoten geschlungen, in dem eine Goldnadel steckte. An ihren Ohren baumelten schwere Goldringe. Ihr Gesicht war braun, es war aber ein Braun, das durch Schminke hervorgerufen worden war. Ihre Lippen waren mit einem blassen Lippenstift nachgezogen, die Wimpern und Brauen dunkel geschminkt, was ihre großen schwarzen Augen noch mehr betonte. Die Frau strahlte eine seltsame Sinnlichkeit aus. Sie wirkte ordinär, doch vielleicht beruhte gerade darauf ihre unzweifelhafte Anziehungskraft.
    Sie blieb vor Dorian stehen und lächelte. »Madame Picard?« fragte der Dämonen-Killer.
    »Ja«, sagte sie. Ihre Stimme klang heiser.
    »Mein Name ist Dorian Hunter«, sagte er. »Ein Freund erzählte mir etwas von einer Sonderführung.«
    Sie nickte. »Kommen Sie, bitte, mit!«
    Dorian folgte ihr. Das Zimmer, das sie betraten, war schlauchartig und für Dorians Geschmack zu aufdringlich eingerichtet. Die Wände waren mit dunklen Holzplatten belegt, wozu die weiße Ledergarnitur einen zu starken Kontrast bildete, und der hohe giftgrüne Spannteppich wirkte geschmacklos.
    »Nehmen Sie Platz!« sagte sie mit rauchiger Stimme.
    Dorian setzte sich. Madame Picard blieb stehen und musterte ihn genau.
    »Im Augenblick finden keine Sonderführungen statt«, sagte sie. Sie setzte sich Dorian gegenüber. »Sie sahen sich die Figuren an, nicht wahr? Was halten Sie davon?« Dorian überlegte, was sie für eine Antwort erwartete.
    »Der Vampir und sein Opfer sind großartig gelungen«, sagte er. »So etwas habe ich bisher noch nie gesehen.«
    Sie lächelte. »Und die anderen Figuren?«
    »Wollen wir es mal so sagen: sie sind nicht so gut gelungen.«
    Madame Picard lachte.
    »Sie drücken sich vorsichtig aus«, sagte sie. »Sehr vorsichtig. Ich will Ihre ehrliche Meinung hören.«
    »Sie sind dilettantisch«, sagte Dorian hart. »Kitsch. Mißlungene Gebilde.«
    Die Frau lachte wieder. »Sie haben völlig recht. Diese Figuren stammen auch nicht von mir. Nur der Vampir und sein Opfer. Ich bin eine Künstlerin und will nicht, daß irgendwelche Banausen meine Kunstwerke begaffen. Meine wahren Kostbarkeiten zeige ich nur bei Sonderführungen. Aber es dürfen nur Leute daran teilnehmen, die ich längere Zeit kenne, die bewiesen haben, daß sie Kunstverständnis besitzen.«
    Dorian nickte.
    »Das ist mir bekannt«, sagte er. »Ich hörte von Ihrer unglaublich eindrucksvollen Sammlung und möchte sie gern sehen.«
    »Da müssen Sie noch einige Zeit warten, Mr. Hunter«, sagte Madame Picard. »Ich muß Sie erst näher kennenlernen.«
    »Stimmt es, daß Sie auch auf Bestellung Wachsfiguren anfertigen?«
    »Ja, das stimmt. Aber nur, wenn mir das Modell gefällt. Wenn es mir nicht gefällt, dann können Sie mir noch so viel Geld anbieten. Das Geld spielt bei mir erst in zweiter Linie eine Rolle. Wichtig ist die Freude an der Arbeit.«
    Dorian dachte an Phillip, den Hermaphroditen. Vielleicht erreichte er etwas, wenn er den Jungen hierher brachte.
    »Wann darf ich mit dem Modell vorbeikommen?« fragte Dorian. »Es ist ein Junge.«
    »Morgen vormittag würde es gut passen«, sagte Madame Picard. Sie stand auf. »Sie gefallen mir, Mr. Hunter. Ich hoffe, wir werden uns noch öfter sehen.«
    Nachdenklich
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher