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034 - Der Weg nach Westen

034 - Der Weg nach Westen

Titel: 034 - Der Weg nach Westen
Autoren: Jo Zybell
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Urluk. »Wir bringen dich zu ihr.«
    »Zur Frau, mit der ich bin gelandet?« Dave machte ein ungläubiges Gesicht. »Ich meine zu der Frau aus dem Feuervogel?« Ihre Mienen blieben stumpfsinnig. Aber sie nickten.
    Jenny lebt? Der Gedanke elektrisierte ihn. Wenn ich sie richtig verstanden habe, lebt Jenny…!
    »Kapier ich nicht erst sperrt ihr mich ein, weil ich gelandet bin mit der sogenannten Königin, und jetzt ihr wollt mich zu ihr bringen…«
    »Krieg ist fertig«, sagte Urluk. »Jetzt ist Frieden mit der Königin und den Frawen.«
    »Mit wem, bitte?«
    »Mit den Frawen.«
    Dave begriff nicht. Aber er gab es auf. »Also los«, seufzte er. »Lasst uns gehen zu… zur Königin…«
    Urluk setzte sich an die Spitze der Gruppe. Zehn andere Männer eskortierten Dave. Arlon, der Seher blieb mit zwei Männern zurück.
    Sie drangen in den Wald ein, stiegen über Schutthügel, ließen Ruinen rechts und.links liegen. Dave kam sich vor wie in einem bösen Traum. Die frische Morgenluft belebte seine Sinne.
    Auch seinen Geruchssinn. Der widerliche Gestank wollte nicht mehr aus seiner Nase weichen es roch nach uralten Socken, Urin und Mäusekot. Irgendwann blieb er stehen und schnüffelte. »O shit«, stöhnte er: Der Gestank ging von seinem Körper aus! Seit hundertsiebenundvierzig Tagen hatte er sich nicht waschen und die Wäsche wechseln kön- nen. »Ich stinke wie ein Iltis!« Womit er dem Marder Unrecht tat.
    Irgendwann stießen sie auf einen kleinen See.
    »Halt!«, rief Dave. Die Lumpenmänner blieben stehen. Urluk belauerte ihn misstrauisch. Ungerührt leerte Dave seine Taschen. Er häufte alles im Gras, schnallte seine Uhr ab, legte seine Brille dazu und stieg aus seinen Stiefeln. In voller Montur stürzte er sich ins Wasser.
    »Wow!« Er schrie vor Begeisterung. Im seichten Uferwasser entledigte er sich seines Pilotenanzugs und seiner Wäsche. Er scheuerte sie an einem Stein, wusch sich Haare und Bart, schwamm weit in den See hinaus und drehte ein paar Runden.
    Urluk stand am Ufer und winkte ungeduldig.
    »Komm!«, schrie er. »Komm! Die Königin wartet!«
    »Soll sie warten!« Dave schwamm zurück ans Ufer. Zum zweiten Mal wusch er seine Kleidung aus. »Besser sie wartet ein bisschen länger, als dass sie fällt in Ohnmacht, wenn ich ihr trete gegenüber…«
    ***
    Drei oder vier Stunden später. Fünf Kilometer hatten sie inzwischen zurückgelegt, vielleicht auch sechs. Wenig für die lange Zeit, fand Dave. Doch sie mussten Ruinen und bewachsene Schutthalden übersteigen, über umgestürzte Bäume klettern, Krater umgehen und Dickichte durchdringen, in denen Dave verrostete Autowracks entdeckte. Und manchmal warfen sich die Männer blitzartig in Deckung, ohne dass er den Grund dafür entdeckt hätte.
    Der warme Wind hatte die nassen Klamotten fast getrocknet. Hunger plagte Dave. Er pflückte sich Früchte, die wie riesige Pflaumen aussahen. Sie schmeckten auch so ähnlich. Aber eben nur so ähnlich.
    Überhaupt schien ihm die ganze Welt nur so ähnlich wie die Welt zu sein, die er kannte.
    Der Weg zum Beispiel, auf dem Urluk die Gruppe nordöstlich führte eine teilweise schnurgerade Lichtung von gleichbleibender Breite, nur spärlich bewachsen und durch eine in seiner Mitte verlaufenden Hecke in zwei genau gleich breite Hälften getrennt, er erinnerte Dave an eine Stadtautobahn.
    Oder die in zunehmender Zahl an den Rändern der kerzengeraden Lichtung stehenden dünnen Masten, die weiter oben gebogen waren Ampeln?
    Oder die in Laub gehüllten Bögen, die sich manchmal von einem Waldrand zum anderen über die Lichtung spannten und von denen Efeuranken herab hingen Fußgängerbrücken? David McKenzie hatte ziemlich konkrete Vorstellungen von einer Welt fünf Monate nach der Kollision mit einem acht Kilometer durchmessendem Kometen: Die Druckwelle und der Feuersturm mussten die Bäume entwurzelt und alles Grünzeug verbrannt haben, es müsste weltweit Dämmerlicht herrschen und in Berlin nur hundertfünfzig Kilometer von der Ostsee entfernt dürfte man eigentlich nicht trockenen Fußes über eine Autobahn gehen können. Dave selbst hatte an den Computersimulationen mitgearbeitet, die sein Chef dann in diversen Nachrichtensendungen und Talkshows verbraten hatte.
    Dave, Wissenschaftler durch und durch, versuchte die Fakten so kühl wie möglich ins Auge zu fassen. Das Ergebnis seiner Analyse lag auf der Hand: Die Welt, wie sie sich ihm an diesem Tag darstellte, hatte eine Katastrophe hinter sich, ohne Zweifel.
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