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032

Titel: 032
Autoren: Die Seiltänzerin
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mit ihm zusammenstieß.
    Sie war verschwunden, ehe er etwas hatte äußern können, doch er war erleichtert.
    Er hatte Ann an dem Abend, als er in Lechlade eingetroffen war, nur flüchtig gesehen, und viele entschieden wichtigere Dinge hatten ihr Bild verdrängt -selbst ihre Existenz. Daher war ihr Gesicht ihm nur vage vertraut, und er brachte sie nicht mit dem Speisehaus in Verbindung, sondern nahm an, dass er sie auf irgendeinem Jahrmarkt oder in einer Stadt gesehen hatte. Er gelangte zu der Erkenntnis, dass Carys nicht anwesend war. Falls eine Truppe von Schaustellern nach Lechlade gekommen war, hätte Carys sie auf keinen Fall davon überzeugen können, in einem Herrenhaus wie Marston aufzutreten. Die Leute hätten sie ausgelacht, da Creklade derart nah war und sehr viel gewinnbringender zu sein versprach. Die Anwesenheit der Schausteller musste ein Zufall sein, der wohl auf deren Bedürfnis beruhte, Schutz vor dem Regen finden zu müssen.
    Diese Schlussfolgerung führte zu einem wichtigeren Gedanken. Orins Männer waren aus der Halle gekommen; Orin hingegen war nicht erschienen. Telor holte tief Luft.
    Orin musste also allein sein, oder er hatte nur wenige Männer bei sich. Telor verzichtete auf die gekrümmte Haltung, derer er sich als Teil seiner äußeren Verwandlung bedient hatte, und bewegte sich vorwärts - genau in dem Augenblick, als ein Wächter von der Westmauer herunterbrüllte: „Gewahr! Gewahr! Zu den Waffen! Wir werden attackiert! Gewahr! Zu den Waffen!"
    Auf dem Hof brach Betriebsamkeit aus. Gruppenführer schrien Männern zu, auf die Westmauer zu gehen, und brüllten diejenigen an, die zum Üben an den Waffen keine Kettenhemden oder Gambessons angelegt hatten, sie sollten ihre Kriegsausrüstung anziehen und zu den Waffen greifen. Drei Männer stürmten in die Halle, derweil man Orin von der Tür her nach seinen Hauptmännern und seiner Rüstung schreien hörte. Seine Stimme klang ferner, während er die letzten Worte äußerte, und mit vor Aufregung klopfendem Herzen bewegte Telor sich weiter voran. In der Halle konnten nicht sehr viele Menschen sein, vielleicht nur fünf oder sechs. Das war nicht die beste Ausgangssituation, aber sie war immer noch besser als ein ganzer Hof voller bewaffneter und alarmierter Männer. Und in der Halle gab es Wände, an die er sich drücken konnte, und Tische, Schemel und Bänke, die er umwerfen konnte. Außerdem würde diese Situation jetzt seine einzige Chance sein, wie er verzweifelt dachte. Er konnte nicht hoffen, Orin angreifen zu können, sobald dieser auf der Palisade kämpfte.
    Er raste um die Ecke, nur um schmerzhaft mit der Schulter eines Mannes zusammenzuprallen, der aus der Tür gestürzt kam. Sie fielen hin, und Telor stürzte so hart auf die Erde, dass er momentan keine Luft bekam. Der andere Mann, der auf die Schwelle gekracht war, brüllte vor Wut und zog sein Schwert, führte jedoch nur übellaunig einen Streich gegen Telor, den dieser mit seinem Bauernspieß abwehrte.
    Orins Gefolgsmann hieb nicht wieder zu, sondern rannte über den Hof, da er an wichtigere Dinge zu denken hatte als an einen unbeholfenen Leibeigenen.
    Sobald Ann sicher ins Freie gelangt war, bewegte Carys sich leise an der Mauer entlang auf die beiden Männer zu, die
    immer noch redeten. Sie bewegte sich langsam, aber nicht verstohlen, und hielt dabei den Kopf gesenkt, als suche sie auf der Erde nach irgendeinem kleinen wertvollen Gegenstand, der vielleicht in der allgemeinen Aufregung über ihren Seiltanz verloren worden war. Dieses Benehmen war für Spielleute so typisch, dass es keinen Verdacht erregte. Immer noch unbemerkt, näherte sie sich den Männern und überlegte, ob sie es wagen solle, sich direkt hinter Orin zu stellen. Der Mann, der bei Orin war, nickte und machte Anstalten, sich zu erheben. Carys erstarrte und griff fester um den Dolch, doch ehe sie sich wieder bewegen konnte, rief jemand:
    „Gewahr! Gewahr!"
    Sie horchte nicht auf den Rest des Geschreis, denn Orin sprang auf die Füße, kippte dabei seinen Stuhl um, stieß den Tisch aus dem Weg und rannte schreiend zur Tür.
    Carys hastete zum nächsten Pfosten und kletterte ihn hoch. Der Mann, der mit Orin geredet hatte, eilte zu dem abgetrennten Bereich hinter der Estrade und kam dann mit Orins Rüstung und dessen Schwert zurück. Dann kamen drei weitere Männer angerannt. Derweil Orin sich in sein Kettenhemd zwängte, befahl er zwei Reisigen, ihre Männer zur Westpalisade zu führen, doch dann, als man einen
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