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032

Titel: 032
Autoren: Die Seiltänzerin
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weiteren Alarmschrei hörte, wies er nur einen Mann an, sich zu entfernen. Der machte sich eilends auf den Weg. Ein anderer Mann rannte zu dem abgetrennten Bereich zurück, während Orin sich sein Schwert umschnallte. Orin blickte zurück, wartete jedoch nicht, sondern ging rasch zur Tür, gefolgt von den beiden anderen Männern.
    Als er ins Freie trat, kam der Mann hinter dem Vorhang hervor. Carys duckte sich auf dem Balken, beobachtete den Mann und überlegte, wo Telor sein mochte. Sie war davon ausgegangen, dass Telor sich versteckt habe, aber das Alarmgeschrei musste ihn hervorgelockt haben. Gleichsam als Reaktion auf diesen Gedanken brach gleich hinter der Tür Getöse aus, und jemand, dessen Stimme Carys überall auf der Welt erkannt hätte, schrie: „Für Eurion!"
    Sie drehte den Kopf nicht um. Zischend Luft einatmend, zog sie den Dolch und stellte sich aufrecht hin, bereit, auf dem Balken entlangzulaufen und Orins Mann, wenn er unter ihr durchging, von hinten anzuspringen. Sie würde ihn wehrlos machen. Das würde dann ein Mann weniger sein, gegen den Telor kämpfen musste.
    Der Mann, der einen Helm in einer Hand und einen großen Schild in der anderen hielt, schien zuerst langsamer zu gehen, als die Situation es erfordert hätte, doch bei Telors Schrei fing er zu rennen an. Carys duckte sich ein wenig und beugte sich vor, bereit hinunterzuspringen, doch der Mann ging nicht unter dem Balken durch. Noch zwei, drei Schritte von ihm entfernt, gab er einen halb erstickten Schrei von sich, krümmte sich und fing an, sich heftig zu übergeben. Einen Herzschlag lang schwankte Carys und starrte ihn verständnislos an. Dann riss sie die Augen auf und steckte den Dolch in die Scheide zurück. Ann! Wann hatte das Mädchen das Essen vergiftet? Carys hatte Ann von allem, das auch die anderen Leute verspeist hatten, essen sehen, und Ann würde gewiss nichts zu sich nehmen, das ihr schaden konnte.
    Aber jetzt war nicht der richtige Zeitpunkt, um über so etwas nachzudenken. Denn auf einmal regte sich in Carys schreckliche Angst. Wenngleich sie versuchte, sie nicht zu beachten, war sie sich bewusst, dass sie Telors Stimme nur ein einziges Mal gehört hatte.
    Sie rannte über den Balken zu einem näher stehenden Pfosten und kletterte in der Absicht, zumindest einen gegen Telor kämpfenden Mann außer Gefecht zu setzen, hinunter. Das vorgesehene Opfer mühte sich jedoch auf Händen und Knien hoch, schaffte es, auf einen Fuß zu kommen und machte Anstalten, sich aufzurichten. Ann hatte die Leute nicht vergiftet, sondern bei ihnen nur Übelkeit erzeugt. Beim Rennen ergriff Carys einen Schemel und hieb ihn mit aller Kraft auf den Kopf des Mannes.
    Der Getroffene fiel nach vorn, und Carys blieb, gewillt, ein weiteres Mal zuzuschlagen, neben ihm stehen, doch er regte sich nicht.

23. KAPITEL
    Telor, der, während er den gegen ihn geführten Schwertstreich abwehrte, glaubte, seine Arme würden ihm den Dienst versagen, mühte sich soeben auf die Knie, als Orin aus der Tür trat, zwei Männer ihm auf den Fersen. Ein Mann trug einen Helm, und der andere, ein Rothaariger, war barhäuptig. Der Anblick von Eurions Mörder verursachte einen Ausbruch von Wut, die Telor jedes Schmerzgefühl und jede Angst und Unentschlossenheit nahm. Er war auf den Beinen, ohne zu wissen, wie er das geschafft hatte, und schwang seinen Bauernspieß nach vorn, um den rothaarigen Mann, der ihm am nächsten war, zu vertreiben. Er betrachtete diesen Mann nicht als Gefahr, sondern nahm ihn nur als Hindernis wahr, das ihn von Eurions Mörder trennte. Mit solcher Wucht räumte er ihn aus dem Weg, dass der Mann rücklings stürzte.
    Ehe er wieder mit dem Bauernspieß zuschlagen konnte, musste er ihn zurückziehen, und in diesem Moment zogen sowohl Orin als auch der behelmte Mann ihre Schwerter. Telor sah jedoch nichts außer Orin. Der hieb zu, sorglos, verächtlich, erstaunt und verärgert darüber, dass ein unbewaffneter, zerlumpter alter Mann ihn angriff, und zuversichtlich, er werde ihn mit einem einzigen Schwertstreich niedermachen. Telor war jedoch zurückgesprungen, so dass die Klinge an ihm vorbeisauste, aber so nah, dass die Spitze eine Falte seiner Tunika traf. Die Bedrohung war ihm gleich. Er hatte sich nicht aus Angst zurückgezogen, sondern nur, weil er einen gewissen Abstand benötigte, damit, wenn er mit dem Bauernspieß zuschlug, die Wucht am größten war. Nachdem er diesen Abstand erreicht hatte, hob er die Waffe zum Schlag und hatte daher keine
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