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032

Titel: 032
Autoren: Die Seiltänzerin
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einigermaßen gut Laute spielte. „Du und der Bursche, der Pfeife bläst, holt jetzt eure Instrumente, die Trommeln und mein und Anns Kostüm, und dann sagt ihr den anderen Männern, dass sie verschwinden sollen. Ich hoffe, wir werden imstande sein, Lord Orin zufrieden zu stellen. Die anderen Männer sind so schlecht, dass sie uns bestimmt verraten werden."
    Als Carys und Ann sich umgezogen hatten, hämmerte der Regen des dritten Wolkenbruchs auf das Dach und kam durch die offenen Fenster, so dass Orin, der jetzt allein an der Hohen Tafel saß, schreiend den Befehl gab, die Fensterläden zu schließen und Fackeln anzuzünden. Diener zogen die schweren Fensterläden zu.
    Andere Bedienstete nahmen Fackeln von den Haufen, die vor der Wand aufgeschichtet waren, hielten sie in das mitten im Raum brennende Feuer und steckten sie in die Halterungen.
    Im flackernden, diffusen Licht wirkte Carys höchst exotisch, als sie aus dem dunklen Bereich hinter der auf der Estrade stehenden Hohen Tafel trat. Die Männer grölten und knallten mit den Messergriffen auf die Tische, während Carys um das Feuer wirbelte. Ihre bunten Röcke flatterten, und ihre eingeölten Beine glänzten. Sie winkte jedoch den Lautner und Pfeifer nicht zu sich, und zeigte auch nicht den primitiven exotischen Tanz, den man erwartete. Nur die Trommeln dröhnten und hallten, derweil sie eine Reihe akrobatischer Kunststücke vorführte, bei denen Ann ihr folgte, unbeholfen ihr Verhalten nachäffte und in einer Weise hinfiel, die brüllendes Gelächter nach sich zog.
    Als die beiden Mädchen das Feuer drei Mal umtanzt hatten, waren alle Leute in guter Stimmung. Das Essen auf den Tellern wurde jedoch kalt, so dass niemand protestierte, als die „Musiker" sich links von Orins Tisch hinsetzten und eine fröhliche Melodie zu spielen begannen. Ann und Carys standen Hand in Hand da und versuchten, zu Atem zu kommen, während das Essen verschlungen wurde.
    Nach ungefähr einer Viertelstunde waren die Männer mit dem Essen fertig, und die Anzeichen beginnender Unruhe wurden als Stichwort angesehen. Die beiden Männer hörten mit der Melodie auf, die sie gespielt hatten, und Ann und Carys gingen zur Mitte des Raums. Ann fing ein süßes, harmloses Lied zu singen an, zu dem Carys einen Refrain gemacht hatte, der dem Lied eine ganz neue, auf vulgäre Weise komische Bedeutung gab. Vor Überraschung waren die Männer still, derweil Ann mit süßer, kindlich hoher Stimme den ersten Vers vortrug, doch nachdem Carys mit ihrem Kontraalt den Refrain gesungen hatte, brachen die Zuhörer in brüllendes Gelächter aus, und jeder folgende Vers und Refrain wurde gleichermaßen eifrig erwartet und lauthals bejubelt.
    Ein weiteres kurzes musikalisches Zwischenspiel folgte, nachdem Ann sich in eine Ecke zurückzog und Carys allein zum Klang der Pfeife und der Laute tanzend herumwirbelte und herumsprang. In der relativen Stille, die dem Geschrei und Getrampel, das die Zufriedenheit der Zuhörer bekundete, folgte, waren weder Donner noch Regengeprassel zu vernehmen. Orin bedeutete einem Mann, nach draußen zu sehen, und nachdem dieser berichtet hatte, der Regen habe aufgehört, befahl er, die Fackeln zu löschen und die Fensterläden zu öffnen.
    Auf ein Signal von Carys hin kam der Lautenspieler, verbeugte sich und schlug vor, dass man, falls der Tänzerin eine kurze Rast vergönnt sei, das Seil anbringen würde, damit sie, ehe es wieder zu regnen anfing, mit ihrer Vorführung beginnen konnte.
    Die meisten Männer begaben sich zum Zuschauen ins Freie. Carys sank in der düsteren Ecke, in die Ann sich zurückgezogen hatte, auf den Fußboden und betete zur Lieben Frau. Sie war sicher, dass der Angriff längst hätte erfolgen müssen.
    Warum dauerte es so lange? War Lord William des Regens wegen anderen Sinns geworden? Einer der beiden Männer, die sich mit Orin unterhielten, setzte sich in Bewegung, um den Raum zu verlassen, und Orin rief ihm nach, er solle es ihn wissen lassen, wenn die Seiltänzerin zu ihrer Darbietung bereit sei. Carys' rechte Hand glitt, nach dem Griff des Dolches tastend, unter den Rock. Wenn doch nur auch der andere Mann ginge. Dann konnte sie ihr Vorhaben ausführen, und Telor würde in Sicherheit sein.
    Sie versetzte Ann einen leichten Stoß und murmelte: „Geh und versteck dich."
    Ann huschte aus der Halle, ging rasch an der Eingangsseite vorbei und umrundete die Ecke der Längsseite des Herrenhauses, die nicht zum Hof hin lag. An dieser Seite gab es eine Reihe
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