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032 - Seelenträger

032 - Seelenträger

Titel: 032 - Seelenträger
Autoren: Bernd Frenz
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Die Grundstücke in dieser Gegend waren äußerst begehrt, deshalb wurde so dicht wie möglich nebeneinander gebaut.
    Nur ein Geflecht aus engen Gassen durchzog die Ballung aus Lagerhäusern und Geschäften. Über das Kopfsteinpflaster rollte tagsüber ein unendlicher Strom von lebensnotwendigen Gütern, doch des Nachts war das labyrinthartige Viertel so gut wie ausgestorben.
    Die Kaufleute verschwanden bei Einbruch der Dämmerung in ihren heimischen Stuben, und die bewaffneten Posten, die die großen Lagerhäuser bewachten, wichen keinen Schritt von ihrer Tür.
    Zielstrebig tastete sich Matt durch das Labyrinth der Gassen voran. Vom Potomac River stieg Feuchtigkeit über die Stadtmauer hinweg und schlug sich als klammer Dunst zwischen den Häusern nieder. Im Licht der Straßenlaternen wurden feine Tropfenschleier sichtbar, die wie nasse Tücher in der Luft hingen.
    Matthew störte sich nicht an dem feuchten Wetter. Im Gegenteil. Es löste ein Glücksgefühl in ihm aus. Seine Gehirnwindungen begannen zu prickeln, als würde Brausepulver in seinem Kopf aufschäumen.
    Fremde, nichtmenschliche Emotionen brandeten in ihm auf. Erinnerungen an eine Existenz, die er nie geführt hatte.
    Einen Moment lang verspürte er den unbändigen Wunsch, sich die Sachen vom Leib zu reißen, um sich in der nächsten Pfütze zu suhlen… dann vertrieb ein leises Raunen den unsinnigen Gedanken.
    »Dieser Freak is doch so vollgedröhnt, dass wir ihm die Hose vom Arsch klauen könn!«, hallte es von den Häuserwänden wider.
    »Okee, schnappen wir ihn uns«, gab eine zweite Stimme in weitaus gedämpfterem Tonfall zurück. »Diesmal darf ich mir aber aussuchen, was ich habn will. Ich hab ihn schließlich zuerst gesehn.«
    Schnelle Schritte hallten über das Kopfsteinpflaster.
    »Dann musst du ihn auch killen«, knurrte der Erste verärgert. »Immer willste die Früchte ernten, obwohl ich die ganze Drecksarbeit mach.«
    Gefahr!, dröhnte es vielstimmig durch Matthews Schädel, dabei hatte er die Lage längst durchschaut. Verzweifelt versuchte er zu fliehen, aber die Beine verweigerten ihm weiterhin den Gehorsam.
    Da wurde er auch schon an der Schulter gepackt und herumgerissen. Sein Hinterkopf prallte gegen die Hauswand.
    Grelle Lichtpunkte blitzen vor seinen Augen auf. Als der erste explosionsartige Schmerz nachließ und von einem dumpfen Hämmern abgelöst wurde, schälten sich aus dem Feuerwerk zwei bizarre Gestalten, deren Kleidung aus Leder- und Fellresten bestand, die sie mit Bändern um ihre Körper gebunden hatten.
    Ihre Hände starrten vor Dreck, dafür waren die Kurzschwerter, mit denen sie herumfuchtelten, umso blanker poliert.
    Beide Angreifer waren von dem entbehrungsreichen Leben auf der Straße gezeichnet. Im Gesicht des Größeren schimmerten zahlreiche Eiterherde, die ihm Ähnlichkeit mit einer verdorbenen Salamipizza verliehen. Angesichts des erbärmlichen Zustandes hätte man fast Mitleid mit ihm haben können, doch das kalte Funkeln in seinen Augen machte deutlich, dass ihn ein Menschenleben nicht weiter scherte, wenn es um den persönlichen Vorteil ging.
    Drohend ließ er seine Klingenspitze von Matts Nase kreisen.
    Sein Kumpan beschränkte sich darauf, wild mit seiner Waffe zu gestikulieren.
    »Schöne Sachen, die du da hast.« Er grinste so breit, dass Matthew einen Blick auf sein schadhaftes Gebiss werfen konnte, das einem verlassenen Steinbruch ähnelte.
    Nur ein einsamer Vorderzahn ragte über die übrigen schwarzen Stummel hinweg.
    »Wenn de die Klamotten freiwillig ausziehst, lassen wir dich am Leben.«
    Der grausame Zug um seine Lippen bewies, dass er sein Opfer nicht aus Barmherzigkeit verschonen wollte. Einem Menschen bei diesen Temperaturen die Kleidung zu rauben war ein ungleich grausameres Todesurteil als ein schneller Streich mit dem Schwert.
    Aber wenn Pizzagesicht zustach, war die fein gewebte Uniform natürlich mit Blut versaut.
    Matt blieb eine Antwort schuldig. Er hatte Mühe genug, sich auf den Beinen zu halten. Dann, ohne jede Vorwarnung, versiegte das Brausen in seinem Kopf.
    Der fremde Wille zog sich zurück und die blockierten Muskeln gehorchten wieder seinen Befehlen.
    Den beiden verwahrlosten Straßenräubern blieb diese Veränderung verborgen. Sie hielten ihn weiterhin für einen Betrunkenen, der keinen Widerstand leisten konnte.
    »Komm schon, du Freek«, forderte Einzahn. »Zieh dich aus oda ich stech dich ab! Warn nich die ersten blutigen Klamotten, die ich trag.«
    Matt überlegte nicht
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