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032 - Seelenträger

032 - Seelenträger

Titel: 032 - Seelenträger
Autoren: Bernd Frenz
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den Öffnungscode einzugeben. Die Luke entriegelte zischend und klappte automatisch in die Höhe.
    »Glawni Starschina (russisch für Bootsmann) Uskij, führen Sie die Männer an Deck!«
    Der Angesprochene war schon halb die Leiter hinauf, bevor Wolkow den Befehl beendet hatte. Das AK 107 über den Rücken gehängt, eilte Uskij die eisernen Sprossen empor und verschwand durch die Turmluke ins Freie. Der Rest der Mannschaftsdienstgrade folgte in gleicherweise. Schweigend, ohne eine Frage über Sinn und Zweck der Übung zu stellen.
    Nur die ersten zehn waren mit Sturmgewehren bewaffnet. Mehr Kalaschnikows gab es nicht in der Waffenkammer.
    Wozu auch? Sie waren U-Boot-Fahrer, keine Infanteristen.
    Keiner der dreißig Matrosen, die nacheinander an Deck drängten, wusste, auf welcher Position sie sich genau befanden. Es war ein Relikt des Kalten Krieges, die Mannschaftsdienstgrade über die genaue Fahrtroute im Dunkeln zu lassen. Die letzten Koordinaten, die sie mit Gewissheit kannten, lagen bei der geheimen Werft in Sewastopol, von wo aus sie vor drei Tagen zur Probefahrt ausgelaufen waren.
    Ihr U-Boot trug noch keinen Namen, nur die Bezeichnung Projekt 2005. Insgeheim hatten sie den Prototyp aber Kiew getauft, und es erfüllte sie mit Stolz, auf der Jungfernfahrt dabei zu sein. Die Kiew war zweifellos das modernste Jagd-U-Boot, das derzeit unter der blau5 weißen Andreasflagge der russischen Marine fuhr. Seine Wasserstoffzellen waren leistungsfähiger als die Reaktoren eines atomgetriebenen Schiffs und die verbesserten hydroakustischen Schutzschichten der Rumpfoberfläche konnten von keinem bekannten Unterwassersonar angepeilt werden.
    Inzwischen hatte sich bis zum letzten Maschinisten herumgesprochen, dass sie die Meerenge am Bosporus durchfahren hatten, ohne von den in Warteposition liegenden US-Verbänden entdeckt zu werden. Dieser Umstand gab Anlass zur Freude, aber keinen Hinweis, in welchem Teil des Mittelmeeres sie aufgetaucht sein mochten. Doch egal, wo sie sich auch gerade befanden - dass sie ein ziviles Schiff aufbringen sollten, war extrem ungewöhnlich.
    Falls Kapitän Wolkow über die Order der Marineleitung ebenfalls irritiert war, ließ er es sich nicht anmerken. Mit unbeweglichem Gesicht verfolgte er, wie seine Mannschaft das Deck enterte. Als der letzte Matrose durch den Turm verschwand, stieg er ebenfalls die Leiter empor. Walerie Bajgarin folgte ihm wie ein Schatten, die übrigen Offiziere blieben an ihren Geräten.
    »Kapitän auf der Brücke«, meldete Obermaat Uskij, als er nach draußen kletterte.
    Wolkow winkte ab. Dies war nicht die Zeit für Formalitäten.
    »Besetzen Sie das Geschütz«, befahl er.
    Fünf Meter vor dem Turm glitten bereits zwei Stahlplatten auseinander und gaben den Blick auf die 15 mm Zwillingsrohre frei, die bei Unterwasserfahrt im Schiffsrumpf verborgen waren.
    Mit einem leisen Summen fuhr die Lafette in die Höhe.
    Uskij wartete, bis die Bodenplatte einrastete, dann machte er das Geschütz gefechtsklar.
    Die übrigen Matrosen nahmen zwischen Bugspitze und Brücke Aufstellung.
    Ihr Blick war auf die Yacht an Steuerbord gerichtet, die knapp fünfzig Meter entfernt auf den Wellen dümpelte.
    Dort standen zwei dunkelhäutige Männer an der Reling und winkten zu ihnen herüber. Kein sonderlich bedrohlicher Anblick, trotzdem behielten die Gewehrträger ihr AK 107 im Hüftanschlag.
    Während die Matrosen auf weitere Befehle des Kapitäns warteten, tauchten an Backbord plötzlich fünf Kopfhauben aus dem Wasser, die wie schwarze Gummibälle leise auf der Oberfläche tanzten.
    In einer synchronen Bewegung streckten die Taucher den rechten Arm aus dem Wasser. In ihren Handschuhen schimmerten klobige Pistolen in feuchtem Glanz.
    Dumpfe Knallgeräusche zerrissen die Stille.
    Kurze Pfeile zischten durch die Luft, bohrten sich in Rücken und Nacken der ahnungslosen Matrosen. Noch ehe die ersten stöhnend zusammenbrachen, wurden die nächsten Geschosse abgefeuert.
    Heckler & Koch P11, registrierte Wolkow sachlich, während er seine eigene Dienstwaffe zog. Die Kerle sind verdammt gut ausgerüstet.
    Die Kampfschwimmer feuerten ihren Unterwasserwaffen ruhig und präzise ab, als wären sie auf dem Schießstand.
    Die kurze Distanz zu den Matrosen machte den Überfall zu einem Kinderspiel.
    Ehe die Russen überhaupt wussten, was geschah, wälzten sich zehn von ihnen röchelnd auf dem Stahldeck.
    Stanislav Mitrow war der Erste, der sich zur Wehr setzte. Der Obermaat ging instinktiv in die
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