Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
032 - Seelenträger

032 - Seelenträger

Titel: 032 - Seelenträger
Autoren: Bernd Frenz
Vom Netzwerk:
sicher.
    Bol'gar sprang neben ihnen zu Boden.
    Seine unförmigen, an Taucherflossen erinnernden Füße lösten eine wahre Flutwelle aus, die sich an den Tunnelwänden brach.
    Der Fischmensch löste einen klobigen Gegenstand von seinem Gürtel, der wie ein langgezogenes Schneckengehäuse wirkte. Nach kurzem Hantieren schoss aus dem geglätteten Ende ein Strahl hervor, der den Tunnel in orangenes Licht tauchte.
    Eine Handlampe! Offensichtlich war es mit der Nachtsicht der Hydriten nicht weit her.
    Matt hätte auf die Beleuchtung gerne verzichtet. Nun ließ sich beim besten Willen nicht mehr übersehen, wie viele menschliche Ausscheidungen in der Brühe schwammen, in der sie alle standen.
    Den Hydriten schien der Aufenthaltsort ebenfalls nicht zu behagen.
    »Da vorne gehts lang«, erklärte Bol'gar und schwenkte auffordernd die Lampe. Offensichtlich führte er das Kommando, nicht Mer'ol.
    Die Fischmenschen nahmen Matt erneut in die Mitte und führten ihn tiefer in die Kloake hinein. Das Schmutzwasser wirbelte unter ihren Füßen auf, während sie Richtung Potomac River marschierten.
    Bereits nach zwanzig Metern endete die Röhre vor einer Betonwand. Sie mussten in einen Quergang ausweichen, der kurz darauf wegen eines Einsturzes unpassierbar wurde.
    Bol'gar dirigierte sie kurz vorher in eine wesentlich kleinere Röhre, die bestenfalls auf Umwegen zum Fluss führen konnte. Der Hydrit kannte sich offensichtlich gut in diesem Labyrinth aus, denn er gab Richtungsänderungen schon bekannt, bevor die entsprechenden Abzweigungen im Schein der Lampe sichtbar wurden.
    Matt stolperte hilflos zwischen den Fischmenschen her. Die Kontrolle über seine Muskeln kehrte langsam zurück, doch es blieb das unangenehme Gefühl, dass er nicht alleine in seinem Körper steckte.
    »Was wollt ihr von mir?«, presste er mühsam aus seinem lädierten Kehlkopf, der den Stimmbändern nur widerwillig gehorchte.
    Die Hydriten antworteten nicht. Matt blieb nichts anderes übrig als abzuwarten, wohin die Reise führte.
    Verschwommene Bewegungen am Rande seines Sichtfeldes zeigten schon bald, dass sie nicht alleine in der Kloake waren.
    Immer wieder glühten Augenpaare in der Finsternis auf, die zu struppigen Nagetieren gehörten, die jede Bewegung der Eindringlinge misstrauisch verfolgten. Sobald ein Nager vom Lichtkegel erfasst wurde, huschte er davon, bis sein behaarter Leib wieder mit der Finsternis verschmolz.
    Matthew störte sich nicht daran. Diese Viecher, die ihn an schwänz- und ohrlose Ratten erinnerten, waren zwar eklig,aber längst nicht so gefährlich wie eine ausgewachsene Taratze.
    Plötzlich spürte er einen frischen Luftzug. Kurz darauf drang das Rauschen einer starken Strömung an sein Ohr.
    Der Potomac konnte nicht mehr weit entfernt sein.
    An der nächsten Abzweigung bogen sie in einen vier Meter hohen Tunnel, in dem die übrigen Kanäle zusammenströmten. Das Rauschen wurde stärker.
    Im Schein der Handlampe konnte Matt erkennen, dass das Abwasser in einiger Entfernung über einen Fall in die Tiefe stürzte, um durch eine unterirdische Verbindung in den Potomac zu fließen.
    Weit mehr als die alte Kanaltechnik interessierte ihn aber der Durchbruch, der auf halbem Weg in der Röhre klaffte. Matter Schein quoll daraus hervor, tauchte den Kanal in ein blutrotes Zwielicht.
    Bol'gar knipste seine Handlampe aus, als sie ihr Ziel erreichten. Platschend hielten sie auf den Durchgang zu, in dem sich plötzlich eine Silhouette abzeichnete, die sich in wichtigen Nuancen von den übrigen Hydriten unterschied.
    Staunend verfolgte Matt, wie ihm zum ersten Mal ein weibliches Exemplar der Fischmenschen entgegen trat. Sie war schlanker als Mer'ol und besaß dafür ausladende Brüste, die nur von zwei muschelähnlichen Halbschalen verhüllt wurden. So manche Silikonschönheit des
    21. Jahrhunderts hätte die Fischfrau um ihre imposante Oberweite beneidet, die im Wasser nicht den Gesetzen der Schwerkraft ausgeliefert war.
    Die Hydritin erinnerte Matt unweigerlich an die Sea Monkeys- Werbung, die in seiner Kindheit den Anzeigenteil vieler Comichefte gefüllt hatte. Die Zeichnung einer barbusigen Unterwasserschönheit hatte seine Phantasie damals stark angeheizt, bis er nach einer Bestellung feststellen musste, dass es sich bei den Sea Monkeys nur um profane Urzeitkrebse handelte, die den Werbebildern nicht im Geringsten ähnelten.
    Die Hydritin verzog ihre aufgeworfenen Lippen zu einer Grimasse, die wohl ein Lächeln darstellen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher