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032 - Seelenträger

032 - Seelenträger

Titel: 032 - Seelenträger
Autoren: Bernd Frenz
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der erste. Achtlos ließ er den Schraubenschlüssel zu Boden poltern.
    Sein Blick wanderte zu Torpedorohr Nummer 8. Mit einer SSN-21 geladen, abschussbereit. Jetzt gab es kein Zurück mehr. Er musste seinen Plan ausführen, sonst war alles umsonst. Seine Knie wurden weich wie Gummi, doch er riss sich zusammen. Das Leben von Millionen unschuldiger Menschen lag in seiner Hand, da durfte er nicht schlapp machen.
    Hastig strich er seine Uniform glatt und trat durch das Schott hinaus in den hell erleuchteten Gang. Er musste zurück in die Leitzentrale, in der er eigentlich Dienst schob. Er eilte an den grauen Schaltkästen der Sektion l vorbei, die die Steuerelektronik für Sonar und Torpedos beherbergten, bis er an die steile Eisenleiter gelangte, die zur Kommandozentrale hinauf führte.
    Schwer atmend stand er von dem offenen Schott. Seine Hände waren schweißnass. Nervös wischte er sie an der blauen Uniform ab. Sein Mund war wie ausgedörrt, doch er hatte keine Zeit, um etwas zu trinken. Ein paar letzte Schritte, dann war er am Feuerleitstand.
    Sämtliche Schotten des Schiffes waren offen und blockiert, er musste nur noch den Abschuss vornehmen.
    Er betätigte den Scanner, der Daumen und Zeigefinger seiner rechten Hand identifizierte. Zum Glück bedurfte es bei einem konventionellen Geschoss keiner doppelten Autorisierung. Seine Finger flogen wie von selbst über das Pult. Der jahrelange Drill zahlte sich aus. Trotz der freiliegenden Nerven beherrschte er die Prozedur im Schlaf. Torpedorohr 8 wurde geflutet.
    Der nächste Schritt würde Alarm auslösen, das ließ sich leider nicht umgehen.
    Trotzdem machte er die SSN-21 scharf.
    Das Heulen der Sirenen kreischte in seinen Ohren, wie zwei Stahlplatten, die gegeneinander rieben.
    »Warnung!«, tönte die angenehm weiche Computerstimme. »Torpedoluke vor Abschuss öffnen!«
    »Im Gegenteil, mein Schatz«, kicherte Walerie hysterisch. »Das ist ja gerade der Witz an der Sache.« Hastig umging er die automatische Abschusssperre.
    Schreie und Flüche wurden im U-Boot laut, nur unterbrochen von verwirrten Fragen mit arabischem Akzent. Von der Offiziersmesse in Sektion 4 brauchte man eine gute halbe Minute, um in der Zentrale zu gelangen.
    Kommandant Wolkow war wie immer schneller. »Was geht da oben vor?«, übertönte er das Kreischen der Sirenen.
    Bajgarin riss die Sicherungskappe in die Höhe. Der rote Abschussknopf lag frei.
    Hinter ihm sprang sein Schwager durch das offene Schott. Als er sah, wie Waleries Hand über dem Schaltpult schwebte, entglitten ihm die arroganten Gesichtszüge.
    »Bist du wahnsinnig geworden?«, schrie Wolkow fassungslos. »Mach keinen Scheiß!«
    Walerie Bajgarin fühlte sich so klar wie noch nie zuvor im Leben. Statt sich auf eine Diskussion über seinen Geisteszustand einzulassen, ließ er einfach den Handballen in die Tiefe krachen. Der rote Knopf rastete ein. Das Abschusssignal wurde ausgelöst. Der Torpedo in Rohr 8 jagte los… und detonierte an der geschlossenen Außenluke. All das geschah in weniger als einer Sekunde, trotzdem kam es Bajgarin wie eine Ewigkeit vor.
    Die Explosion zerfetzte den gesamten Bug.
    Das U-Boot schüttelte sich wie ein Spielzeug in der Badewanne. Der Boden neigte sich schlagartig um einen Winkel von 50 Grad, Bajgarin und Wolkow wurden durch die Kommandozentrale gewirbelt. Das Licht erlosch. Totale Dunkelheit.
    Schreie, berstendes Metall und tosende Wassermassen, die in den Schiffskörper drangen.
    Bajgarin prallte gegen das Periskop, überschlug sich und landete mit dem Rücken auf einer Konsole. Er konnte sich gerade noch an einem der festgeschraubten Drehstühle festklammern, bevor der Bootskörper wieder zur anderen Seite kippte.
    »Die Schotten!«, brüllte jemand verzweifelt. »Sie lassen sich nicht schließen! Wir sind verloren!«
    Das Notstromaggregat im Heck sprang automatisch an. Die Kommandozentrale wurde in rotes Licht getaucht, das die Wände wie mit Blut färbte. Gurgelnd schoss eine Wasserfontäne durch das offene Schott zu ihnen herein. Noch zwanzig, vielleicht dreißig Sekunden, dann war das ganze Boot geflutet. Es gab keine Möglichkeit, die einzelnen Sektionen von Hand abzuschotten. Dafür hatte Bajgarin in den letzten Tagen gesorgt.
    Kommandant Wolkow brüllte unverständliches Zeug, das im Tosen des eindringenden Wassers unterging. Einen Arm um den Plottertisch geklammert, zerrte er mit der freien Hand seine CUG aus der Pistolentasche. Bajgarin sah gleichmütig zu, wie sein Schwager die
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