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032 - Der Opferdolch

032 - Der Opferdolch

Titel: 032 - Der Opferdolch
Autoren: Dämonenkiller
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wertvollen Kirchen erhielt der Staat weiter, die übrigen wurden zu Sporthallen, Kinos und Parteilokalen umfunktioniert. Callabro beklagte diese Entwicklung immer lautstark, in Wahrheit war er aber heilfroh darüber, denn er lebte gut dadurch.
    Der Kutter hatte Domino Callabro bis nahe an die Küste herangebracht. Ein kräftiger Matrose ruderte den »heiligen Callabro« die letzten Meter an die Küste heran, um der albanischen Küstenwache nicht aufzufallen. Zur Not hatte der Kutter auch noch einen vierzylindrigen Deutz-Diesel-Motor mit 45 PS.
    »Tätest besser daran, zu rudern, du Sakristeiwanze«, brummte er, als er Callabro beten hörte – so leise, daß das Rauschen der Brandung seine Worte übertönte. Er wollte nicht gern seinen Job auf dem Kutter, den Callabros Hintermänner gemietet hatten, verlieren.
    Sie erreichten die Bucht. Hier war das Wasser fast ruhig. Der Matrose zog das Boot an den Strand. Der »heilige Callabro« sprang wie eine Gazelle an Land. Der Matrose holte sich nasse Füße, als er ihm den Koffer mit den Bibeln nachtrug.
    »Morgen nacht um die gleiche Zeit hole ich Sie wieder ab«, sagte er. »Viel Glück und gute Geschäfte, Signore!«
    Das letzte klang etwas spöttisch. Callabro verdrehte die Augen. »So hat die Tugend ihre Neider«, seufzte er, »die Frömmigkeit ihre Mißgünstigen. Vergib ihm, Herr, und – wenn du es einrichten kannst – sorge dafür, daß ich von dem neuen Kunden mehr Geld für meine Bibeln bekomme!«
    Er schleppte den Bibelkoffer den Strand hinauf, zwischen die Felsen. Es war Neumond, eine stockfinstere Nacht. Aber der »heilige Callabro« kannte sich aus. Er stieg einen Hügel hoch.
    Eine Viertelstunde später setzte er sich auf eine flache Steinplatte und wischte sich mit einem karierten Taschentuch den Schweiß von der Stirn, obwohl es bitterkalt war. Von der See her pfiff ein eisiger Wind. Es war Januar, die Jahreszeit, in der – so behauptete man – im Wasser des Adriatischen Meeres sogar die Fische frieren würden.
    Callabro trug einen dicken, gefütterten Mantel und eine Ballonfahrermütze. Er war ein mittelgroßer, etwas rundlicher Mann von Anfang Vierzig mit einem scharfgeschnittenen Römergesicht, zu dem das Doppelkinn wenig passen wollte.
    »Herr«, sagte er, »ich will dich ja nicht kritisieren und auch nicht dein Wort, aber hättest du es nicht ein wenig leichter gestalten können? Die Bibeln sind so schwer, daß sie mir fast den Arm ausreißen.«
    Er erhielt keine Antwort – weder vom Himmel noch von der Erde – und setzte seinen Weg fort. Er befand sich in der Nähe der Hafenstadt Vlora, bei der auf drei Terrassen angelegten mittelalterlichen Festung Kanina. Bei den Freiheitskämpfen des Nationalhelden Skanderbeg gegen die Türken um die Mitte des 15. Jahrhunderts hatte Kanina ein paarmal eine bedeutende Rolle gespielt.
    Callabro schritt über Äcker, Felder und Hügel zu dem Treffpunkt in der Nähe der Festung Kanina. Sein Ziel war eine alte Ruine, in der es spuken sollte. Der Mönchsorden der Templer hatte hier im 12. Jahrhundert ein Schloß errichtet. Nach den Kreuzzügen waren die Templer von Vlora immer schlimmer entartet. Aus dem Morgenland hatten sie Kenntnisse der Schwarzen Magie mitgebracht, Gold und Silber, Schätze und ein hochfahrendes Wesen. Schließlich trieben sie es so arg, daß der Orden sich von ihnen lossagte und eine Strafexpedition die Burg eroberte und die Templer an einer mächtigen Eiche aufhing.
    Die Eiche – die Templereiche nannte sie die Bevölkerungstand immer noch: uralt, knorrig, vom Blitz und vom Wetter gezeichnet, wie eine Inkarnation und ein Mahnmal der Sünden jener verruchten Tempelritter.
    Callabro schauderte, als er den Baum sah. Die Sichel des Neumonds kam hinter den Wolken hervor, ein paar Sterne waren zu sehen, und die Nacht wurde etwas heller. Es war kurz vor Mitternacht.
    Er blieb vor der Ruine der Templerburg stehen. Sein Mittelsmann, der ihm die Bibeln abnehmen wollte, war noch nicht eingetroffen. Callabro war unheimlich zumute, deshalb nahm er eine der Bibeln aus dem Koffer und versuchte, darin zu lesen, aber er konnte in der Dunkelheit die Buchstaben nicht erkennen; er hätte seine Taschenlampe benutzen müssen, und das wollte er nicht.
    Um Punkt Mitternacht kam der Mittelsmann hinter der Templereiche hervor, eine hochgewachsene Gestalt, in einen schwarzen Umhang gehüllt. Er bewegte sich lautlos.
    »Alle Heiligen!« sagte Callabro erschrocken. »Was für ein Bursche! Der paßt zu dieser Zeit an
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