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032 - Der Opferdolch

032 - Der Opferdolch

Titel: 032 - Der Opferdolch
Autoren: Dämonenkiller
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hatte schon befürchtet, daß sie es nicht vor Beginn der Dämmerung schaffen würden.
    Durch einen langen, schlauchartigen Gang gelangten sie ins Freie. Die Sonne sank, als Dorian und Elise aus einem schmalen, von einem Gebüsch getarnten Höhleneingang traten. Über ihnen ragte drohend die Festung Kanina mit ihren Mauern, Zinnen und Türmen auf.
    Dorian wollte nicht in der Nähe der Festung bleiben, denn bald mußte ihre Flucht entdeckt werden. Er ging mit Elise um den Hügel herum, bis sie einen Weg fanden. Er führte zu einem festungsartigen Bauernhaus am Fuß des Hügels. Die Sonne war jetzt bereits wie ein rotglühender Ball im Meer versunken. Ein paar flammende Wolken trieben noch über dem Meer. Der Himmel wurde dunkler. Die Dämmerung brach herein.
    Dorian hörte einen seltsamen Sprechgesang. Er konnte den Wortlaut nicht verstehen, aber er hielt Elise zurück und legte den Finger an die Lippen, damit sie sich ruhig verhielt. Der Sprechgesang kam aus keiner menschlichen Kehle. Ein Untoter trieb sich bei dem Haus mit den massiven Steinquadermauern, den kleinen Fenstern, dem gewaltigen Tor und den Schießscharten herum.

    Vavra Noli zuckte zusammen, als sie die Stimme ihres Mannes vor dem Haus vernahm. Sie schüttete die heiße Milch aus dem Topf über den linken Arm. Der Schmerz trieb ihr Tränen in die Augen.
    Aber viel schlimmer als der Schmerz war die Angst. Faik Noli wollte seine Frau zu sich holen, sie zu einer Untoten und Kreatur des Mbret machen. Vavra überprüfte, ob Türen und Fenster verriegelt waren. Sie schaute nach dem silbernen Kreuz, der Kette mit Knoblauchzehen, dem Vampirpfahl, der Mistgabel und dem Beil.
    Vavra war eine kräftige, auf eine derbe Art hübsche Bauersfrau um die Dreißig. In den zwölf Jahren ihrer Ehe hatte sie mit ihrem Mann wenig Freude gehabt. Ihre Kinderlosigkeit hatte ihn nach Vlora ins Wirtshaus getrieben, und wenn er betrunken heimkam, hatte er entweder wie ein kleines Kind geweint oder sie beschimpft und ihr Vorwürfe gemacht.
    »Dein Bauch ist wie eine taube Nuß«, hatte er gesagt. Oder: »Wenn ich mich zu dir ins Bett lege, dresche ich leeres Stroh.«
    Jetzt schlug Faik Noli andere Töne an.
    »Komm her zu mir, mein einzig Lieb!« rief er mit seltsam unmodulierter Stimme. »Komm und teile die Einsamkeit meiner Tage im Grab und in den Grüften mit mir, und die Jagd nach dem Blut der Lebenden in den Nächten! Komm und diene mit mir dem Mbret!«
    Vavra lehnte sich mit dem Rücken an die Tür. Ihr großer Busen wogte. Der Untote kratzte und scharrte, winselte wie ein Hund.
    »Geh weg!« schrie Vavra. »Geh in dein Grab zurück, Faik, und laß mich in Ruhe!«
    Ein dumpfes Lachen war zu hören. Ein schwerer Körper krachte gegen das Holz.
    Aber Faik hatte es schon in den letzten Nächten nicht geschafft, ins Haus einzudringen, sosehr er sich auch bemüht und so wild er sich auch gebärdet hatte. Und auch diesmal hielt die massive, mit Eisenbändern versehene Bohlentür dem Ansturm stand.
    »Steig zu mir in die Gruft hinab!« sang Faik Noli. »Komm zu mir in mein kaltes Grab! Das Leben ist ein eitler Wahn. Entsag ihm! Schließ dich dem Mbret an! Das wahre Leben kann nur der große Mbret dir geben.«
    In dieser Art ging es noch einige Zeit weiter. Vavra hielt sich die Ohren zu. Sie warf den Kopf hin und her und biß sich in die Unterlippe, bis sie blutete. Stärker denn je war der Zwang, hinauszugehen zu Faik, ihm die Halsschlagader zu bieten, um den magischen, lähmenden Biß zu empfangen.
    Da brach der Sprechgesang jäh ab. Faik stieß einen wütenden Schrei aus, und als Vavra aus einer Schießscharte spähte, sah sie ihn den Berg hinaufflüchten, auf die Festung Kanina zu, die Hochburg der Untoten. Ein großer Mann mit einem über die Mundwinkel herabhängenden Oberlippenbart jagte hinter Faik her, einen spitzen Stock in der einen Hand, einen Dolch in der anderen. Aber er gab die aussichtslose Jagd bald auf und kehrte um.
    Zwischen den kahlen Bäumen am Berghang trat eine Frau hervor. Der Mann und die Frau näherten sich dem Bauernhaus. Sie wirkten zerzaust und heruntergekommen. Ihre Kleider waren blutbeschmiert. Alles andere als vertrauenerweckend sahen sie aus.
    Vavra Noli sah durch die Luke neben der Tür den Mann an die Haustür pochen. Dumpf dröhnten die Schläge durch das Haus.
    »Wer seid ihr und was wollt ihr?« fragte Vavra.
    »Wir sind von der Festung geflohen und suchen Zuflucht«, antwortete der Mann auf englisch und anschließend auf russisch. »Lassen Sie
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