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0315 - Wenn der Totenvogel schreit

0315 - Wenn der Totenvogel schreit

Titel: 0315 - Wenn der Totenvogel schreit
Autoren: Jason Dark
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Beine übereinandergeschlagen. »Der Kaffee ist gleich fertig.«
    »Ja, sicher…« Der Baron war ein Mann, der eine gewisse Arroganz ausstrahlte. Er war nicht mehr sehr jung. Seine Haut war faltig.
    Rechts und links der Mundwinkel hatten sich Krähenfüsse eingegraben. Die Augen schmal, die Pupillen klein, die Lippen ziemlich schmal. Schütter lag das grauschwarze Haar auf seinem Kopf, und der Hals wirkte so mager wie der eines Geiers.
    »Womit kann ich Ihnen behilflich sein, Herr Baron?« erkundigte sich Harry. »Ich hatte vor, heute in den Forst zu gehen und einige Bäume zu kennzeichnen. Sie wissen ja, wegen…«
    Der Duke of Hanlock unterbrach seinen Angestellten mit einer unwirsch wirkenden Handbewegung. »Das hat alles Zeit. Deshalb bin ich nicht zu Ihnen gekommen. Es geht um eine andere Person. Um Ernest Ragg.«
    »Den Gärtner?«
    »Um wen sonst. Ich bekam heute Morgen einen Anruf von der Polizei. Er ist tot.«
    Schlagartig wich das Blut aus dem Gesicht des Mannes. Lucy, die mit einer Tasse Kaffee das Zimmer betrat, wurde noch blasser und begann so zu zittern, dass der Kaffee überschwappte, die Untertasse überschwemmte und sie in die Küche musste, um neuen zu holen.
    Der Duke of Hanlock schaute sich überrascht um. »Was haben Sie? Weshalb sind Sie so bleich?«
    »Nun ja, Sir, es ist nicht einfach, diese Nachricht zu verdauen. So am frühen Morgen.«
    »Es ist eine Tatsache, und da kommen wir nicht drum herum.«
    »Wie… wie ist er denn gestorben, wenn ich fragen darf?« erkundigte sich Harry.
    »Ragg hatte seinen freien Abend. Er ist nach London gefahren, in ein Kino gegangen und hat sich dort einen Gruselfilm angeschaut, wie ich hörte. Der Film war wohl nichts für seine schwachen Nerven gewesen. Er hat auf jeden Fall einen Infarkt bekommen.«
    »Und da war nichts mehr zu machen?«
    »Nein.«
    Harry lehnte sich zurück. Plötzlich lag der Schweiß auf seiner Stirn. Er dachte wieder an die Nacht und an das Heulen des unheimlichen Totenvogels.
    Auch seine Frau erinnerte sich daran. Lucy betrat zum zweitenmal den Raum. Diesmal verschüttete sie keinen Kaffee, stellte die Tasse vor dem Baron hin, der kurz nickte und sagte: »Das war bestimmt wieder der Totenvogel.«
    Ihr Besucher zuckte zusammen. »Was sagen Sie da? Der Totenvogel? Glauben Sie noch immer diesen Unsinn? Es gibt keinen Totenvogel. Das sind doch Märchen.«
    »Nein, Sir!« Harry schüttelte den Kopf und antwortete entschieden dagegen. »Wir haben ihn gehört. Sein Jaulen und Heulen jagte uns Schauer über den Rücken.«
    Der Duke of Hanlock lächelte schmal. »Haben Sie diesen komischen Vogel auch gesehen?«
    »Das nicht.«
    »Aha.«
    »Sir, es gibt ihn. Davon bin ich felsenfest überzeugt. Der Vogel existiert, glauben Sie mir.«
    »Ich weiß nicht, wie Sie dazu kommen, dieses Märchen zu glauben, und welch eine Verbindung Sie zwischen dem für mich nicht existierenden Vogel und dem Tod des Gärtners sehen. Für mich jedenfalls ist das alles Unsinn.«
    »Aber die Geschichte…«
    »Ist alles Quatsch. Alles Sagen, alles Legenden. Sie brauchen mich nicht zu belehren. Ich kenne sie genau. Dabei bin ich nur gekommen, um mit Ihnen über die neue Aufgabenverteilung zu reden, jetzt, wo Ragg nicht mehr existiert.«
    »Ich kann das eine von dem anderen nicht trennen«, widersprach Harry Finley.
    Der Baron trank einen Schluck Kaffee. Als er aufschaute, hatte sich Lucy neben ihren Mann auf die Sesselkante gesetzt. Beide schauten den Baron an.
    »Mein Haus steht mitten im Wald«, sagte dieser. »Ich hätte es wohl längst bemerkt, wenn sich da ein Totenvogel rumtreibt.«
    »Vielleicht fliegt er nur in unsere Gegend«, widersprach Finley.
    »Das glauben Sie doch selbst nicht.«
    »Wir haben ihn gesehen«, verteidigte Lucy ihren Mann. »Und wir haben Angst, Sir. Nicht nur um uns, sondern auch um unseren Sohn, verstehen Sie das?«
    Auf die letzte Frage ging der Duke of Hanlock überhaupt nicht ein. »Was wollen Sie denn machen? Wegziehen?«
    Lucy senkte den Kopf, so sah nur Harry das kalte Lächeln des Mannes. »Wir haben über diese Möglichkeit schon gesprochen«, gab Harry zu.
    »Dann wünsche ich Ihnen viel Spaß.«
    »Wieso?«
    »Seien Sie doch mal Realist, Finley. Glauben Sie denn, Sie bekämen woanders noch einen Job?«
    »Na ja, ich meine…«
    »Nichts meinen Sie, gar nichts. Ich gebe Ihnen Brot und Arbeit. Sie wohnen in einem Haus, davon träumen die meisten nur. Das wollen Sie wegen eines Hirngespinstes aufgeben? Da kann ich nur lachen. Ich
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