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0315 - Wenn der Totenvogel schreit

0315 - Wenn der Totenvogel schreit

Titel: 0315 - Wenn der Totenvogel schreit
Autoren: Jason Dark
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ich zugriff, brüllte er. Es war ein Todesschrei. Die Erfahrung hatte ich gemacht, denn ich konnte gewisse Arten von Schreien sehr gut unterscheiden. Und dieser hier war so schrecklich und grauenhaft, dass ich mich schüttelte.
    Aber auch Ernest Ragg.
    Das Beben lief durch seinen Körper. Es machte ihn fertig, und im nächsten Augenblick drehte er sich auf der Stelle, um dann zusammenzusacken, als hätte man ihm die Beine weggeschlagen.
    Bevor er auf den mit einem dünnen Teppich und schräg verlaufenden Gangboden prallen konnte, war ich da und fing ihn auf. Dann lag er in meinen Armen.
    Mit der rechten Hand stützte ich noch seinen Nacken ab. Das Gesicht lag so, dass ich hineinschauen konnte.
    Trotz der miesen Lichtverhältnisse erkannte ich seine gebrochenen Augen.
    Ernest Ragg hatte recht bekommen.
    Er war tot!
    Ich hielt die Leiche in den Armen. Ob die anderen es mitbekommen hatten, wusste ich nicht. Das interessierte mich in diesen Augenblicken auch nicht, ich stand da und schaute in das Gesicht mit den erstarrten Zügen.
    Das Schreckliche war eingetroffen. Ich hatte praktisch danebengestanden und es nicht verhindern können.
    Natürlich war nicht nur den Zuschauern etwas aufgefallen, auch dem Vorführer. Er unterbrach den Film, das Licht wurde heller, ich hörte die Proteste und zog mich mit dem Toten ein Stück zurück, bevor ich ihn zu Boden legte.
    Jemand kam schweratmend herbei. Es war Lady Sarah, die ebenfalls in die Knie ging und den Mann anschaute. »Er ist tot, nicht wahr, John?«
    Ich nickte.
    Die Horror-Oma strich über das Gesicht des Mannes. Ich bekam mit, wie ihre Schultern zuckten. Der Tod war ihr sehr nahe gegangen, und sie schüttelte sich auch.
    »Was kann es nur sein?« fragte sie flüsternd.
    Ich war kein Arzt und schüttelte den Kopf. »Das müsste man herausfinden«, fügte ich hinzu.
    »Vielleicht ein Herzschlag?«
    »Möglich.«
    Wir waren nicht die einzigen geblieben, die um den Toten herumstanden. Mittlerweile hatte es keinen Besucher mehr auf seinem Platz gehalten. Ein jeder wollte sehen, was geschehen war und kam herbei. Schon sehr bald umstand uns ein dichter Ring aus Leibern.
    Keiner sprach laut. Ich vernahm wohl das leise Flüstern, wenn sich die Zuschauer unterhielten. Eine Frage tauchte immer wieder auf.
    »Ist er tot?«
    »Ja, er ist tot«, erwiderte ich so laut, dass es jeder hören konnte.
    »Aber wie?«
    »Herzschlag.« Ich sagte es einfach dahin. Später stellte sich heraus, dass ich tatsächlich richtig getippt hatte.
    »Dem war bestimmt der Film zu aufregend.«
    So lauteten die Kommentare der meisten Zuschauer. Der eigentlichen Wahrheit kam niemand nahe, und darüber war ich froh.
    Jemand drängte sich durch die Zuschauer. Ein dicker, schwitzender Mann. Er trug einen blauen Anzug und ein knallrotes Hemd darunter. Als er den Toten sah, blieb ihm vor Schreck der Mund offen stehen.
    »Da ist nichts mehr zu machen«, sagte ich und wandte mich im selben Atemzug an den Mann. »Wer sind Sie?« Ich hatte schon meinen Ausweis gezogen.
    Er schaute darauf, ohne die Schrift richtig zu lesen. »Mir gehört das Kino.«
    Ich nickte. »Kannten Sie den Besucher?«
    Er blickte auf die Leiche und schüttelte den Kopf. »Nein, natürlich nicht. Den habe ich nie zuvor gesehen.«
    »Rufen Sie einen Leichenwagen.«
    »Ich?« Er deutete auf seine Brust.
    »Natürlich Sie.«
    »Ja, ja…« Kopfschüttelnd drehte er sich um und verschwand so schnell, als wäre der Teufel hinter ihm her.
    Der Abtransport der Leiche war nicht mehr unsere Sache.
    Dennoch mussten wir so lange bleiben, bis der Wagen eingetroffen war. Ich wandte mich an Lady Sarah. Die Kinobesucher standen blass und mit erschreckten Gesichtern herum. Niemand sprach ein Wort.
    »Da scheinst du recht gehabt zu haben«, sagte ich zu ihr.
    »Leider.« Sie säuberte mit der Spitze eines Taschentuchs ihre Augenwinkel. »Ich frage mich nur, was wir jetzt machen sollen, John?«
    »Hier können wir nichts tun.«
    »Aber du wirst den Fall doch weiter verfolgen?«
    »Darauf kannst du dich verlassen. Da steckte mehr dahinter, als sich jetzt herausgestellt hat. Auf diesen geheimnisvollen Totenvogel bin ich wirklich gespannt.«
    »Und ich auch«, fügte Lady Sarah hinzu.
    Diese Antwort bewies mir, dass die Horror-Oma wieder einmal mitmischen würde…
    ***
    Die Familie Finley hatte schlecht geschlafen. Wenigstens die beiden Erwachsenen. Bei Jeff sah es anders aus. Er war beruhigt, in den Betten seiner Eltern den Rest der Nacht verbringen zu
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