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0311 - Am Todestag von Isabell

0311 - Am Todestag von Isabell

Titel: 0311 - Am Todestag von Isabell
Autoren: Am Todestag von Isabell
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diesen Kasten mitsamt der Weißen Frau erst verkauft habe, werde ich zwanzig Jahre jünger sein.«
    Ich wusste nicht recht, ob ich ihn ernst nehmen sollte. Er war zwar schon betrunken, aber ich habe schon oft die Erfahrung gemacht, dass gerade betrunkene Leuten die besten Ideen haben.
    »Sie haben vollkommen recht, Mister Hardman«, erklärte ich. »Sie hätten das schon viel früher tun sollen.«
    »Früher war etwas anderes.«
    Er beugte sich wie ein Verschwörer zu mir herüber.
    »Glauben Sie, ich will warten, bis dieser Delory mir einen Prozess anhängt, der sich länger hinziehen kann als die Zeit, die ich noch zu leben habe. Der Lump hat Evelyn nur wegen dieses Grundstücks geheiratet.«
    »Auch darauf hätten Sie schon früher kommen müssen, Mister Hardman. Sie haben noch vor ganz kurzer Zeit Sam Delorys Loblied gesungen.«
    Er wischte sich mit dem Handrücken die Tränen ab.
    »Hören Sie einmal, Mister Hardman, hat Ihre Tochter Evelyn eigentlich einen Beruf?«, fragte ich.
    »Beruf? Meine Töchter hatten es nicht nötig, einen Beruf zu ergreifen.«
    »Aber auf der Heiratsurkunde steht doch, dass sie Schauspielerin sei.«
    »Schauspielerin!… Schauspielerin!«
    Er reckte die Arme gen Himmel
    »Sie ist immer eine Schauspielerin gewesen und hatte tatsächlich die verrückte Idee, damit Geld zu verdienen und berühmt zu werden. Na ja, über ein paar Nebenrollen hinaus hat sie es nie gebracht. Dann hat sie den Blödsinn auf gegeben, aber ich schwöre Ihnen, sie ist immer noch nicht darüber hinweg. Kommen Sie, ich zeige Ihnen etwas. - Morgen wird sie den Mist holen lassen, und ich bin froh, wenn ich ihn aus dem Hause habe.«
    Er sprang auf, fiel wieder zurück in seinen Sessel und kam dann endlich auf die Beine.
    Dann hakte er mich unter, und so schleppte ich ihn zur Tür und die Treppe hinauf.
    »Hier. Das ist Evelyns Zimmer.«
    Wir blieben in der geöffneten Tür stehen.
    »Tatsächlich«, sagte ich überrascht.
    An den Wänden hingen mindestens zwanzig Bilder von Evelyn Hardman, Bilder, die sie in allen möglichen Rollen zeigten. Dazwischen waren auch ein paar verwelkte Lorbeerkränze.
    »Verrückt«, brummte ich, aber die Überraschungen waren noch nicht zu Ende.
    Ein Schrank barg alle Schmink- und sonstigen Utensilien, die eine Schauspielerin braucht.
    »Und jetzt sehen Sie sich das an.«
    Hardman riss die Schublade einer großen Kommode auf. In dieser Schublade lagen Perücken, rote Perücken, blonde Perücken, schwarze Perücken und braune Perücken, im Ganzen mindestens zwanzig.
    »Verrückt«, sagte ich noch einmal.
    Der Alte nickte zustimmend.
    »Und jetzt sehen Sie hier. Ich habe die Tür zu dem verfluchten Zimmer reparieren lassen. Es hat ein neues Schloss, aber der Schlüssel wird immer stecken.«
    Er drücke auf die Klinke und stieß die Türe zu dem Mordzimmer auf. Es war noch alles wie zuvor, nur die Fensterläden und die Flügel des Fensters waren weit geöffnet. Die Augustsonne strahlte herein.
    Jetzt erkannte man erst, wie alt und verschlissen'die Decken, der Teppich und alles andere waren. Es sah gar nicht mehr unheimlich, sondern nur noch verkommen aus.
    »Sehen Sie sich das noch einmal an«, sagte Hardman. »Morgen ist der ganze Kram weg. Sogar den Fußboden lasse ich herausreißen. Ich kann diese schwarzen Fliesen nicht mehr sehen.«
    Eigentlich begriff ich den guten Hardman nicht ganz. Einerseits wollte er das ganze Haus verkaufen und andererseits das Zimmer vollständig neu machen lassen. Wozu sollte das eigentlich gut sein?
    Als ich ihn verstohlen von der Seite ansah, wurde mir klar, dass bei ihm der Fäden gerissen war.
    Sein ganzes Leben hindurch hatte er an dem alten Kasten, seiner Tradition und seinem Hausgespenst gehangen, damit gelebt und wahrscheinlich sogar dafür gedarbt. Die Ereignisse der letzten Zeit waren zu viel für ihn gewesen. Sie hatten alle Illusionen zerstört und alles, an dem er hing, vernichtet oder in den Schmutz gezogen.
    Gordon Hardman war nicht mehr normal.
    Wenn Evelyn und ihr Mann das merkten, so würden sie nicht zögern, ihn entmündigen zu lassen, und dann wären die beiden am Ziel ihrer Wünsche.
    Der alte Mann warf noch einen Blick in den Raum, drehte sich brüsk um, ging hinaus. Ich folgte ihm, und dann warf er die Tür zu, dass es knallte. All seine Wut und Enttäuschung lagen in der Bewegung, mit der er die Tür schloss.
    Drinnen plumpste etwas auf den Boden. Dann sah ich in dem Spalt zwischen der Türfüllung und dem Fußboden etwas glitzern.
    Ich
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