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0295 - Der Schädel des Zauberers

0295 - Der Schädel des Zauberers

Titel: 0295 - Der Schädel des Zauberers
Autoren: Werner Kurt Giesa
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Doch der Schatten hielt diesem magischen Feuer stand. Er zuckte nicht einmal hin und her, sondern sog das gleißende Licht in sich auf und verwandelte es in namenlose Schwärze, die er hinter sich wieder ausstieß und die sich über das Land legte wie eine düstere Hand des Grauens. Da erkannte Corros, daß dieser Schatten ihm zumindest gleichwertig war.
    »Was willst du, Schatten?« fragte Corros. »Wer schickt dich zu mir, um mir meine kostbare Zeit zu stehlen?«
    Leonardo de Montagne sah durch die unsichtbaren Augen seines Schattens, und er sah einen faustgroßen, verwitterten Schädel mit ledriger, faltenreicher Haut und schlohweißem langem Haar. Der Schrumpfkopf hatte vor vielen tausend Jahren einmal einem mächtigen Zauberer gehört. Er war ihm abgeschlagen und verarbeitet worden, doch selbst als Geschrumpfter hatte er weder Leben noch Macht verloren. Da flohen seine Bezwinger vor ihm, aber er nahm furchtbare Rache. Seit jener Zeit lebte er zurückgezogen im Dschungel und kümmerte sich nicht mehr um die Geschichte der Welt. Doch er sah viel und wußte viel, denn er hatte reichlich Zeit zum Denken. Und er achtete darauf, daß seine Macht nie schwand, daß er nie außer Übung geriet.
    Rotglühende Augen betrachteten den Schatten und erkannten, daß eine viel stärkere Macht hinter diesem stand.
    »Mein Herr, der große Leonardo de Montagne, entsendet mich«, sagte der Schatten. »Gewiß hörtest du von ihm. Selbst für die Hölle war er zu furchtbar, und so spie sie ihn nach neunhundert Jahren wieder aus in die Welt der Lebenden, um sie zu knechten. Und der Herr der Hölle stellte ihm eine Aufgabe, ohne zu sagen, wie diese Aufgabe gelöst werden sollte und von wem. Du, Corros, sollst die Befehle meines Herrn Leonardo hören und befolgen, um diese Aufgabe zu lösen.«
    »Aufgaben interessieren mich«, gestand der Schrumpfkopf unbeeindruckt. »Sprich, und ich werde entscheiden, ob ich diese Aufgabe übernehme.«
    »Du wirst sie übernehmen, oder dein langes Leben findet sein Ende, denn mein Herr weiß Mittel, die deine einstigen Bezwinger nicht wußten. Er hat die Macht, deine Existenz zu beenden.«
    »Das berührt mich nicht. Sprich endlich. Du beginnst, mich zu langweilen, Stehler meiner kostbaren Zeit.«
    In jener Dimension zwischen Diesseits und Jenseits lachte Leonardo ungläubig auf. Wie konnte einem, der seit Jahrtausenden lebte, die Zeit fehlen?
    »Du wirst einen Menschen vernichten, der Professor Zamorra genannt wird«, befahl Leonardo durch den Schatten.
    Der Schrumpfkopf verzog das faltige Gesicht zu einem breiten Grinsen.
    »O ja, diesen Auftrag werde ich übernehmen. Nicht, weil du mich bedrohst. Sondern weil mich die Aufgabe reizt, wird doch in höheren Sphären geraunt, jener Zamorra sei einer der wenigen Unsterblichen. Es ist eine Herausforderung, das Gegenteil zu beweisen.«
    Der Schatten machte eine ausholende Handbewegung.
    »Es ist der Wille meines Herrn, daß ich in deiner Nähe bleibe, um dich zu überwachen. Denn er will sichergehen, daß du auch wirklich seinen Willen erfüllst. Und solltest du versagen, bin ich befugt, dich zu vernichten. Denn Versager haben im Reich de Montagne keinen Platz.«
    Die Miene des Schrumpfkopfes umwölkte sich zornig. »Übermütiger Sklave deines überheblichen Herrn, der du bist! Hebe dich hinfort, sofort!« Und er sprach einen Zauber.
    Der Schatten kreischte und versuchte sich zu wehren, aber er mußte dem Zwang weichen, so überraschend kam er. Der Schrumpfkopf zwang ihn, die Schilfhütte zu verlassen und belegte sie mit einem Sperrbann, so daß der Schatten sie nicht mehr zu betreten vermochte.
    Weitab in der anderen Welt knirschte, Leonardo hörbar mit den Zähnen. Noch nie hatte ihm jemand eine solche Abfuhr erteilt, und er war nicht gewillt, sich dieses bieten zu lassen.
    Er befahl seinem Schatten, dennoch in der Nähe zu bleiben. Und er rief den Heerführer seiner Skelett-Krieger zu sich.
    »Nimm eine halbe Hundertschaft, und versetze dich an jenen Ort, wo mein Schatten weilt. Sobald dieser es dir verkündet, wirst du die Schilfhütte jenes Schrumpfkopfes Corros dem Erdboden gleichmachen und ihn selbst, auf die Spitze einer Lanze gespießt zu mir bringen!«
    »Ich höre und gehorche, o Herr und Gebieter«, knisterte der Skelett-Krieger und eilte davon.
    Aber Leonardo de Montagne war noch nicht zufrieden…
    ***
    In den nächsten Stunden entwickelte Corros, der Schrumpfkopf, einen Plan. Er war bemüht, jedes Risiko eines Fehlschlages auszuschalten.
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