Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
029 - Der Unheimliche

029 - Der Unheimliche

Titel: 029 - Der Unheimliche
Autoren: Edgar Wallace
Vom Netzwerk:
einen Mann auf einem Stuhl am Fenster sitzen. Obgleich es warm war, hatte er seinen Mantel anbehalten. Er hatte ihr den Rücken zugewendet und schien aufmerksam den Straßenverkehr zu beobachten, doch nun drehte er sich um und stand auf. Elsa starrte ihn verdutzt an - es war ein Chinese!
    Er war höchst elegant nach europäischer Mode gekleidet, doch Elsa starrte auf sein Gesicht. Die unergründlichen Augen hinter den wimperlosen Lidern, die gelbe, pergamentartige Haut, die blutlosen Lippen, die vorstehenden Backenknochen - Elsa hatte noch nie etwas so Häßliches gesehen. Als könnte er ihre Gedanken lesen, sagte er in einwandfreiem Englisch:
    »Man ist eben so, wie einen die Natur gemacht hat. Ich bin Feng Ho, Bachelor of Arts«, und mit einer Verbeugung überreichte er ihr seine Karte, die sie mechanisch entgegennahm.
    »Sie wünschen Major Amery zu sprechen?« fragte sie, als sie ihre Fassung wiedergewonnen hatte.
    »Ich habe bereits mit ihm gesprochen. Er bat mich, einen Augenblick zu warten, damit ich Sie kennenlerne. Ich fürchte, daß ich ein häufiger Besucher sein werde.«
    Elsa lächelte gezwungen.
    »Warum nicht, Mr. . . .« Sollte sie ihn Mr. Feng oder Mr. Ho nennen? Wiederum schien er ihre Gedanken zu erraten.
    »Feng Ho ist ein zusammengesetzter Name«, erklärte er, betrachtete selbstgefällig seine tadellosen Handschuhe und fügte hinzu: »Major Amery ist eben eingetreten.«
    »Ich habe ihn nicht gehört«, widersprach sie.
    Der Chinese nickte energisch.
    »Doch, jetzt geht er durch das Zimmer - er ist vor dem Kamin stehengeblieben.« Lauschend streckte er den Kopf vor. »Nun ist er am Schreibtisch und hat ein Papier aufgehoben. Haben Sie das Rascheln eben nicht gehört?«
    Elsa schaute ihn argwöhnisch an. Hielt dieser Mensch sie zum Narren?
    »Ich höre alles«, fuhr er fort. »Jetzt hat er sich in seinen Sessel gesetzt.«
    Das Mädchen öffnete die Tür zum Zimmer des Majors und schaute hinein: Amery saß vor dem Schreibtisch und hatte gerade die Hand nach der Klingel ausgestreckt, um sie hereinzurufen.
    »Kommen Sie!« befahl er schroff. »Feng Ho hat Ihnen wohl eine Probe seines Gehörs gegeben? Das ist sein größter Stolz.«
    Er blickte sich nach Feng Ho um, der über das ganze Gesicht grinste.
    »Schließen Sie bitte die Tür!« verlangte Amery. Als Elsa es tun wollte, hörte sie Amery eine Reihe unverständlicher Worte murmeln und bemerkte, wie Feng Ho seine Arme verschränkte und sich verbeugte.
    »Sie werden Feng Ho wahrscheinlich jetzt öfter sehen. -Nehmen Sie diesen Brief auf!«
    Während der nächsten Viertelstunde flogen ihre Finger über den Stenogrammblock, denn wenn Amery diktierte, sprach er so schnell, daß sie ihre Fähigkeiten aufs äußerste anspannen mußte. Als er geendet hatte, schaute sie auf und erwartete, entlassen zu werden, doch Amery blickte sie nachdenklich an.
    »Sie werden bemerkt haben, daß Feng Ho Chinese ist. Soyoka dagegen ist Japaner - ein sehr kapitalkräftiger Japaner!«
    Der Name kam Elsa bekannt vor, doch konnte sie sich im Augenblick nicht daran erinnern, wo sie ihn gelesen oder gehört hatte.
    »Ich glaube, Sie täten besser daran, wenn Sie für ihn, anstatt für jene Bande von Amateuren arbeiteten. Soyoka zahlt gut.«
    Er beobachtete sie scharf und merkte, daß sie immer noch vor einem Rätsel stand.
    Betroffen fragte Elsa:
    »Wünschen Sie denn, daß ich Sie - daß ich die Firma Amery verlasse? Wer ist Soyoka? Ich glaube, ich habe den Namen schon einmal gehört.«
    »Soyoka ist ein sehr reicher und sehr mächtiger Japaner«, erklärte er, »und seine Freunde sind sehr hilfsbereit. Soyoka hätte nichts dagegen, jemand anzustellen, der für die Konkurrenz gearbeitet hat, er würde diese Gelegenheit vermutlich sogar begrüßen. Und, wie ich schon sagte, er zahlt sehr gut.« Elsa schüttelte den Kopf.
    »Ich verstehe nicht, Major Amery. Ich weiß tatsächlich nicht, wer Soyoka ist, und außerdem - ich möchte auch nicht für einen Asiaten arbeiten.«
    Amery ging über ihre Antwort hinweg und fuhr fort:
    »Übrigens können Sie Feng Ho vertrauen. Er besitzt alle Tugenden und keines der Laster des Ostens. Die meisten Chinesen sind liebenswürdige Leute, und Feng Ho gewinnt durch nähere Bekanntschaft. Ein Flußpirat tötete seinen Vater; Feng Ho folgte dem Mörder in das Ning-Po-Gebirge und brachte in seiner Reisetasche sieben Piratenköpfe mit. Ein seltsamer Mensch, nicht wahr?«
    Elsa war entsetzt.
    »Dieser kleine Mann?« fragte sie ungläubig. »Das ist
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher