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029 - Der Unheimliche

029 - Der Unheimliche

Titel: 029 - Der Unheimliche
Autoren: Edgar Wallace
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jedenfalls nicht anmerken.
    »Du wirst ihn selbstverständlich nicht heiraten, Elsa! Das wäre ja, als ob Dezember und Mai zusammenträfen!«
    Elsa hatte den Eindruck, als ob er noch etwas sagen wollte, und einen Augenblick fürchtete sie, daß der Tag ihr noch einen Heiratsantrag bringen würde, denn er hatte sie so bedeutsam angeschaut. Sie hatte Ralf Hallam gern - aber nicht in dieser Art. Zu ihrer großen Erleichterung begann er aber, über Amery zu reden.
    »Was ist dieser Inder eigentlich für ein Mann?«
    »Ich weiß nur sehr wenig über ihn«, antwortete sie. »Angeblich soll er nicht einmal Engländer sein, sondern dem amerikanischen Zweig der Amerys angehören. Sein Großonkel soll ihm die Stellung in Indien verschafft haben. Er ist sehr seltsam.«
    »Verlieb dich nur nicht in ihn«, lachte Ralf. »Um aber wieder auf Tarn zurückzukommen - vielleicht wäre es gut, wenn du dich für ein paar Tage von ihm trenntest. Hast du meine Schwägerin schon kennengelernt?«
    »Ich wußte gar nicht, daß du eine hast«, erwiderte Elsa erstaunt. »Sie wird dir gefallen«, sagte er einfach. »Ich werde sie bitten, dich einzuladen.«
    Elsa erhob sich, um zu gehen, als ein Taxi vor der Haustür hielt. Hallam blickte auf die Straße.
    »Warte!«
    »Wer ist es?« fragte sie.
    »Der wunderliche Tarn«, meldete er. »Es ist wohl besser, wenn er dich nicht hier antrifft. Geh für einen Augenblick ins Arbeitszimmer! Wenn ich ihn ins Eßzimmer hereinlasse, kannst du ungesehen verschwinden. Ich werde schon dafür sorgen, daß er dich nicht sieht.«
    Als die Klingel ertönte, eilte Elsa ins Arbeitszimmer, und gleich darauf hörte sie Maurice Tarns tiefe Stimme. Wenige Augenblicke später schlüpfte sie aus dem Hause.
    Tarn, dessen Nerven gereizt waren, hörte die Tür zuschlagen und sah sich mißtrauisch um.
    »Wer war das?«
    »Mein Diener ging hinaus«, antwortete Ralf kühl. »Was ist denn mit Ihnen los?«
    Tarn ließ sich mit einem Seufzer in einen Sessel fallen und vergrub das Gesicht in den Händen.
    »Ist es wirklich so schlimm?« fragte Hallam.
    »Er weiß Bescheid!« stieß Tarn hervor.
    »Wer ist ›er‹ - der Herr aus Indien? Und was weiß er?«
    »Alles! Hallam, er ist Soyoka!« Ralf schaute ihn verblüfft an.
    »Sie sind ja verrückt - Soyoka?«
    »Ja, entweder ist er Soyoka selbst oder doch einer der maßgebenden Anführer der Bande. Wir haben immer gewußt, daß die Beamten in Indien mit Soyokas Bande Hand in Hand arbeiteten. Woher hätte er sonst auch wissen können, in welchen Büchern er unsere Ladungen suchen mußte? Er war vollkommen im Bilde. Er riet mir, zu verschwinden, und das werde ich auch tun. Hallam, es bedeutet den Tod, gegen Soyokas Bande aufzutreten. Die schrecken vor nichts zurück. Ich bin dem nicht mehr gewachsen, ich bin für dies Geschäft zu alt!«
    »Man sagt mir aber, nicht zu alt, um zu heiraten?«
    Tarn schaute schnell auf.
    »Was meinen Sie damit?«
    »Das was ich sage. Ich hörte, daß Sie zusammen mit einer Dame verschwinden wollen.«
    Maurice Tarn zuckte die Achseln.
    »Ich weiß noch nicht, was ich tun werde. Ich habe einfach Angst!«
    »Das merke ich.« Ralf Hallams Stimme klang unangenehm; sein Gesicht hatte einen bösartigen Ausdruck angenommen, und seine Lippen verzogen sich verächtlich. »Wenn Sie glauben, daß Sie gehen müssen, dann gehen Sie! Geld haben Sie genug, um Ihre Nerven in Ordnung zu bringen. Wahrscheinlich wollen Sie nach Südamerika - gehen Sie so schnell wie möglich! Sie haben die Nerven verloren, und für mich sind Sie wertlos. Sie sind sogar eine Gefahr. Wir wollen so schnell wie möglich teilen, dann können Sie meinetwegen sogar zum Teufel gehen!« Er fixierte Tarn: »Aber Sie werden allein gehen. Ich brauche eine Mitarbeiterin.«
    »Elsa?« stotterte Tarn.
    »Ja, Elsa!« bestätigte Ralf Hallam kalt. »Ich werde sie für meine Zwecke erziehen, das ist eine Leichtigkeit. Ich brauche Elsa, Maurice. Sie gefällt mir, und ich kann verstehen, daß Sie sie haben wollen. Aber ich will sie auch haben!«
    Tarn schaute ihn entsetzt an. Eine einsame Zelle in seinem Gehirn, wo einst die Moral wohnte, arbeitete angestrengt.
    »Aber Sie können Elsa doch gar nicht heiraten, Ralf! Sie sind ja verheiratet.«
    »Wer spricht denn von Heirat«, wies Hallam ihn ab.

5
    Es war bereits halb drei Uhr, als Elsa die enge Treppe in ihr Büro hinaufeilte, in der Hoffnung, daß ihr unangenehmer Chef noch nicht nach ihr geläutet habe. Als sie die Tür zu ihrem Zimmer öffnete, sah sie
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