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027 - Das Gesicht im Dunkel

027 - Das Gesicht im Dunkel

Titel: 027 - Das Gesicht im Dunkel
Autoren: Edgar Wallace
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geckenhaften Herrn Elton, dessen bleiche Gesichtsfarbe durch das schwarze Schnurrbärtchen und die kohlschwarzen Augenbrauen noch mehr hervorgehoben wurde. Das war also der vielgepriesene Martin!
    »Sehr erfreut, dich zu sehen, Audrey!« sagte er und starrte sie voller Bewunderung an. »Entzückend, Dora!«
    »Ja, hübscher als früher«, erwiderte diese gleichgültig, »aber fürchterlich angezogen.«
    Audrey wurde nicht leicht verlegen, aber der unverwandte Blick des großen Mannes, der sie geradezu durchbohrte und abschätzte, war ihr unbehaglich, so daß sie froh war, als er sich verabschiedete. Martin begleitete ihn hinaus, um Dora Gelegenheit zu geben, ihre Geschichte vorzubringen.
    Sie erzählte von einer mißhandelten Frau, die sich genötigt gesehen hätte, aus Angst vor ihrem brutalen Gatten das Land zu verlassen und nicht einmal Zeit gehabt hätte, das Bild ihres Kindes mitzunehmen.
    »Dieses Bild haben wir uns verschafft«, fuhr sie fort. »Nach dem Buchstaben des Gesetzes waren wir wohl nicht dazu berechtigt, aber die arme Mutter tat uns so leid, und da hat Martin einen Diener des Hauses durch ein Trinkgeld bewogen, uns das Bild zu bringen. Nun scheint der Mann die Sache aber zu ahnen und läßt uns Tag und Nacht beobachten, so daß wir es nicht wagen, das Bild durch die Post oder durch Boten fortzuschicken. Heute kommt nun ein Freund von der armen Lady Nilligan nach London, und wir haben verabredet, ihn auf dem Bahnhof zu treffen, um ihm das Bild zu geben. Nun ist die Frage -würdest du wohl so lieb sein, es ihm hinzubringen, Audrey? Dich kennt hier niemand, die Spürhunde werden dich nicht belästigen, und du kannst einer bedauernswerten Frau einen großen Dienst erweisen.«
    »Aber - was für eine sonderbare Geschichte!« rief Audrey stirnrunzelnd aus. »Könnt ihr denn nicht einen Dienstboten schicken? Oder kann der Mann nicht herkommen?«
    »Ich sage dir doch, daß unser Haus bewacht wird!« entgegnete Dora ungeduldig. »Aber natürlich - wenn du nicht willst -«
    »Selbstverständlich werde ich es tun«, lachte Audrey.
    »Wie nett von dir! Nun nur noch eins: Falls die Sache doch herauskommen sollte, darfst du unsern Namen nicht nennen. Ich bitte dich, schwöre mir beim Andenken unserer verstorbenen Mutter -«
    »Das ist nicht nötig«, fiel Audrey ihr kühl ins Wort. »Ich verspreche es dir - das genügt.«
    Aus dem kleinen Dinner, von dem Dora gesprochen hatte, schien nichts geworden zu sein, denn um halb neun Uhr kam Dora zu ihrer Schwester hinauf und übergab ihr ein längliches, fest verschnürtes und versiegeltes kleines Paket.
    Sie beschrieb ihr den geheimnisvollen Pierre aufs genaueste und fügte hinzu: »Vor allem also - du kennst mich nicht und hast das Haus Curzon Street 508 nie in deinem Leben betreten. Zu dem Mann sagst du nichts weiter als: ›Dies ist für Madame.‹«
    Audrey wiederholte den Satz und meinte: »Was für Umstände um eine solche Kleinigkeit. Ich komme mir vor wie eine Verschwörerin.«
    Nachdem sie das Päckchen in einer inneren Manteltasche verborgen hatte, verließ sie das Haus und ging rasch in Richtung Park Lane davon. Gleich nach ihr verließ Martin das Haus, behielt sie im Auge, bis sie in einen Omnibus stieg und folgte ihr dann in einem Taxi.
    Vor dem Charing-Cross-Bahnhof stieg Audrey aus und eilte in die große Halle. Es wimmelte von Menschen, so daß es eine Weile dauerte, bis sie Herrn Pierre entdeckte, einen untersetzten, flachsbärtigen kleinen Mann mit einem Muttermal auf der linken Wange, das ihr als Erkennungszeichen dienen sollte. Ohne weiteres holte sie das Paket hervor, ging auf ihn zu und sagte halblaut: »Dies ist für Madame.«
    Er blickte sie forschend an und ließ das Paket so schnell in seine Tasche gleiten, daß sie seiner Bewegung kaum zu folgen vermochte.
    »Bien!« sagte er. »Wollen Sie Monsieur danken und -«
    Er fuhr blitzschnell herum, aber der Mann, der sein Handgelenk umfaßt hatte, ließ sich nicht abschütteln. Im selben Augenblick schob jemand seinen Arm unter den Audreys.
    »Kommen Sie mit, meine Liebe«, sagte eine freundliche Stimme. »Ich bin Captain Shannon von Scotland Yard.«
    Plötzlich stockte er und starrte entsetzt auf das erschrocken zu ihm emporgewandte Gesicht hinab.
    »Meine Bettelprinzessin!« stieß er mit versagender Stimme hervor.
    »Bitte, lassen Sie mich los!« Sie hatte entsetzliche Angst, so daß ihr eine Sekunde lang ganz elend zumute wurde.
    »Ich muß zu -« Sie verstummte noch rechtzeitig.
    »Sie wollen
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