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0265 - In Brooklyn blüht der Galgenbaum

0265 - In Brooklyn blüht der Galgenbaum

Titel: 0265 - In Brooklyn blüht der Galgenbaum
Autoren: In Brooklyn blüht der Galgenbaum (3 of 3)
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an der Theke setzte er sich so, dass er den Bärtigen im Auge behalten konnte.
    Funny Issy war aus der Küche wieder zum Vorschein gekommen, als er die Tür seiner Kneipe gehen hörte. Er wechselte ein paar leise Worte mit dem neuen Gast und schenkte dabei ein Bier ein. Der Mann mit der kleinen Narbe nippte nur flüchtig an dem Getränk, dann rutschte er von seinem Hocker herab und ging auf die Nische zu.
    »Hörte, dass Sie mich sprechen wollen?«, sagte er lässig.
    »Kommt drauf an, wer Sie sind«, erwiderte der Bärtige und musterte den Mann aufmerksam.
    »Ich bin ein Freund von Brian O’Kelly«, bekannte der Mann mit der Narbe.
    »Setzen Sie sich«, sagte der Bärtige.
    »Komm an die Theke«, erwiderte der Mann mit der Narbe in einem Tonfall, der etwa in der Mitte zwischen vertraulicher Freundlichkeit und autoritärem Befehl lag. »Ich hab mein Bier dort stehen.«
    Der Bärtige blickte einen Augenblick schweigend auf das gebräunte Gesicht, in dem die kleine Narbe weiß hervortrat. Dann zuckte er die Achseln und murmelte:
    »Meinetwegen.«
    Er stand auf und schob sich aus der Nische heraus. Aber kaum hatte er den runden Tisch passiert, da sprang der andere vor und drückte dem Bärtigen die Spitze eines Schnappmessers gegen die Brustgrube.
    Zwei Herzschläge lang starrten sie sich in die Augen. Plötzlich machte der Bärtige eine blitzschnelle Bewegung. Der Mann mit der Narbe stieß einen knappen Ruf der Überraschung aus. Der Bärtige hatte ihm den Arm herumgerissen, hielt ihn mit der Linken eisern am Handgelenk fest und drückte gleichzeitig den angewinkelten rechten Unterarm von hinten her hart gegen den Hals des Narbenmannes.
    »Ich habe jetzt drei Möglichkeiten«, raunte er dem Überraschten ins Ohr. »Ich kann dir die Gurgel zerquetschen, ich kann dir das Handgelenk verstauchen oder den Arm in der Schulter ausrenken. Such dir selber raus, was du am liebsten hast!«
    Der Mann mit der Narbe keuchte. Der Bärtige hatte ein spöttisches Lächeln im Gesicht, als er langsam mit dem angewinkelten Arm zudrückte. Das Gesicht des Narbenmannes färbte sich dunkelrot.
    ***
    Für amerikanische Verhältnisse war die Kegelbahn klein, muffig und vorsintflutlich, obgleich die beiden Bahnen schon den automatischen Kegelaufsteller hatten. Vom standen drei rechteckige Tische mit groben Holzstühlen. Sechs Mitglieder der Bande lümmelten sich darauf herum, während ein siebentes gerade mit der Kugel Anlauf nahm. Lonely-Tony saß als Achter an der Wand und las eine Sportzeitung. Die beiden Burschen mitgerechnet, die mich hereinbrachten, standen mir also genau zehn Gangster gegenüber. Ein hübsches Verhältnis.
    »He, Boss«, kaute der links hinter mir, »der Junge hier hat rumgeschnüffelt!«
    Lonely-Tony nickte und las den Absatz zu Ende. Dann erst hob er den Kopf und gönnte mir einen Blick. Ich begriff, warum man ihn den ›einsamen Tony‹ nannte. Selbst mitten unter seinesgleichen setzte er sich in deutlichem Abstand zu den anderen. Und seine Augen blickten kalt wie die eines Fisches.
    Mit einer Handbewegung gab er kund, dass er mich aus der Nähe zu begutachten wünsche. Die beiden Gauner hinter mir stießen mich vorwärts. Die anderen Gangster hatten sämtlich ihre Beschäftigung unterbrochen und starrten mich an wie das neunte Weltwunder.
    »Wie bist du reingekommen?«, fragte Lonely-Tony.
    Ich zuckte die Achseln.
    »Durch die Tür, wie sonst? Deine Gorillas draußen, ließen mich rein.«
    »In die Kneipe, ja«, antwortete er. »Aber du musst wenigstens auf der Treppe gewesen sein, die hier runterführt, sonst hätten dich Bill und Joe nicht aufgegriffen. Also? Was hattest du auf der Treppe zu suchen?«
    »Auf der Treppe?«, wiederholte ich. »Gar nichts. Ich wollte hier runter.«
    Überrascht hob er abermals den Kopf und sah mir wieder ins Gesicht.
    »Kennen wir uns?«, fragte er nachdenklich.
    »Nicht persönlich«, erwiderte ich.
    Er nickte wieder.
    »Ich hätte mich sonst auch erinnert. Also was willst du hier?«
    »Ich wollte mit dir sprechen.«
    »Mit mir?«
    »Ja.«
    »Ich denke, du kennst mich nicht. Woher weißt du dann, dass ich der Mann bin, mit dem du sprechen willst?«
    »Weil ich dein Bild kenne,Tony«, sagte ich ruhig. »Und deine Fingerabdrücke. Und dein Vorstrafenregister.«
    Auf einmal war es so still, dass man sein leises Atmen hören konnte. Etwas wie elektrische Spannung lag in der Luft. Ich fühlte, wie sich meine Kopfhaut zusammenzog. Ein Mann vor mir, neun hinter mir - verdammt, es war eine
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