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025 - Die Todesmasken des Dr. Faustus

025 - Die Todesmasken des Dr. Faustus

Titel: 025 - Die Todesmasken des Dr. Faustus
Autoren: Dämonenkiller
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Aufmerksamkeit zu erregen.
    Er war von Toledo enttäuscht, wie überhaupt von Spanien. Er hatte geglaubt, daß hier selbst im Dezember die Sonne lachen würde; statt dessen war es hier so kalt und unfreundlich wie in seiner Heimat zu dieser Jahreszeit. Es war auch nur ein schwacher Trost, daß er überall zu hören bekam, dies sei der kälteste Winterbeginn seit Jahren. Der Himmel war seit Tagen grau. Die kalten Winde kamen heulend von den Montes de Toledo herunter und hüllten die Stadt ein. Regen und Schneefall wechselten einander ab. Die Zufahrtsstraßen waren am Tag aufgeweicht und schlammig, so daß die Karren und Kutschen darin steckenblieben. In der Nacht fror der Boden und wurde so hart und glatt, daß die Hufe der Pferde keinen Halt fanden. Speyer hatte mit eigenen Augen gesehen, wie man einem Zugtier, das mit gebrochenem Bein hilflos im Straßengraben lag, den Gnadenstoß geben mußte.
    Er war erst heute hier angekommen und spielte schon wieder mit dem Gedanken, Toledo den Rücken zu kehren. Vielleicht war es tiefer im Süden doch freundlicher. Wahrscheinlich, sicher sogar. Aber was sollte er dort? Andererseits – was zog ihn nach Toledo? Er wußte es nicht. Und doch – diese Stadt übte eine magische Anziehungskraft auf ihn aus.
    Er war in den letzten Jahren ruhelos durch die Lande gezogen, nur um schließlich zu erkennen, daß er nach Toledo wollte. Warum nur? Und was trieb ihn ausgerechnet auf die Plaza del Barrio Nuevo?
    »Entschuldigt, mein Freund, aber ich habe vorhin zufällig gehört, daß Ihr ein Landsmann von mir seid«, sagte da jemand auf deutsch an Speyers Seite.
    Er wandte sich um und sah einen Mann mit nur einem Bein, der auf Krücken ging. Der Mann trug einen dicken Mantel aus Wolfspelz und einen hohen, breitkrempigen Hut mit einer langen, flauschigen Feder. Speyer dachte zuerst, daß ihn ein Bettler anspreche, doch der Kleidung nach zu schließen war der Mann weitaus wohlhabender als er selbst. Er konnte sich sogar einen Diener leisten, der mit finsterem Gesicht, die Hand am Knauf des Degens, hinter ihm stand.
    »Gestattet Ihr, daß ich mich vorstelle?« sagte der Einbeinige. »Mein Name ist Thadäus Gruenerthal. Laßt Euch von meiner Kleidung nicht blenden, denn sie spiegelt nicht meine wahre Herkunft und Stellung wider. Ich bin nur ein einfacher Schneider aus Köln.«
    Speyer nannte seinen Namen und sagte, daß er der Sohn eines Kaufmannes auf Wanderschaft sei. Er verschwieg wohlweislich, daß er zwei Jahre lang Medizin studiert hatte, denn in jener Zeit hielt man nirgends viel von Studenten und nannte sie allerorts schlichtweg Rauf- und Trunkenbolde.
    »Und was führt Euch nach Toledo, wenn man fragen darf?« wollte der Schneider aus Köln wissen.
    Speyer hob die Schultern. »Wahrscheinlich derselbe Trieb, der die Zugvögel im Winter in den Süden ziehen läßt.«
    Der einbeinige Schneider lächelte verschmitzt. »Dann habt Ihr in Toledo sicherlich nicht das richtige Winterquartier gefunden.« Er zwinkerte Speyer zu. »Oder aber Ihr verheimlicht mir aus irgendwelchen Gründen – am Ende gar aus falscher Scham –, daß Ihr aus einem ganz anderen Grund nach Toledo gekommen seid.«
    »Und der wäre?«
    »Das Wunder von Toledo – die Madonnenstatue, die auf wundersame Weise Tränen weint und Kranke heilt und Blinde sehend macht.«
    »Ja, ich habe davon gehört.«
    Überall sprach man über dieses Wunder, und von überall kamen die Leidenden, um bei der Madonnenstatue um Erlösung zu flehen; und glaubte man den Legenden, dann hatten schon unzählige Kranke hier Heilung gefunden. Immer wenn die Madonnenstatue weinte, erlebten die gläubigen Pilger ein Wunder. War er deshalb nach Toledo gekommen? Aber er war doch nicht krank und hatte auch kein körperliches Gebrechen.
    »Die Madonna ist meine letzte Hoffnung«, sagte der einbeinige Schneider. »Nicht, daß ich glaube, ich könnte durch ein Wunder ein zweites Bein erhalten. Mit diesem Gebrechen habe ich mich längst abgefunden. Aber ich bin unheilbar krank. Die Ärzte haben mir prophezeit, daß ich das neue Jahr nicht mehr erleben werde. Deshalb habe ich alle meine Ersparnisse zusammengekratzt und bin hierher gepilgert. Und Ihr, Speyer, wollt Ihr mir nicht anvertrauen, warum Ihr hier seid? Euer Schritt lenkt Euch geradewegs zur Kirche Santa Maria la Bianca , in der die Wunder wirkende Madonna einen Seitenaltar ziert.«
    Speyer empfand den Redeschwall des Schneiders plötzlich als äußerst lästig. Anstatt sich darüber zu freuen, in der
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