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025 - Die Todesmasken des Dr. Faustus

025 - Die Todesmasken des Dr. Faustus

Titel: 025 - Die Todesmasken des Dr. Faustus
Autoren: Dämonenkiller
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die Verfluchten, die wie eine Herde aufgescheuchter Lämmer umherirrten; und auch auf dem Friedhof wurden die von den Mächten der Finsternis geweckten Toten von den Erdmassen wieder in die Tiefe gerissen.
    Dann war der Spuk vorbei. Der Himmel riß im Westen auf, und die untergehende Sonne schickte ihre letzten Strahlen auf das brennende Dach der Santa Maria la Bianca . Das Feuer erlosch, als hätte ein göttlicher Atem es ausgeblasen.
    Georg Rudolf Speyer blieb keuchend stehen. Er hatte den Dieb aus den Augen verloren. Es hatte keinen Zweck, auf der Suche nach ihm durch Toledo zu irren; aber das hieß nicht, daß er an Aufgabe dachte. Er würde nichts unversucht lassen, um des Diebes habhaft zu werden, damit er ihm den Goldenen Drudenfuß, den er in seinem früheren Leben als Juan Garcia de Tabera am Seitenaltar der Santa Maria la Bianca versteckt hatte, abnehmen konnte.

    Gegenwart
     
    Dorian Hunter stand vor dem offenen Wandtresor und starrte versonnen auf den Goldenen Drudenfuß in seinen Händen. Der Drudenfuß hatte sich nun wieder etwas ausgedehnt. Jeder seiner fünf Schenkel war zwei Fuß lang, und er schimmerte weißgolden.
    Man sah ihm an, daß er aus Edelmetall gearbeitet war. Dorian wollte ihn behüten, als wäre er ein Stück von ihm. Und genau betrachtet war der Goldene Drudenfuß längst ein Teil seines Lebens – seiner vielen Leben – geworden.
    »Dorian, Achtung!« rief Coco hinter ihm mit verhaltener Stimme. »Phillip kommt!«
    Dorian legte den Goldenen Drudenfuß schnell in den Wandtresor. Doch noch bevor er die Tür verschließen und das Ölbild – ein phosphoreszierendes Kreuz, das von Symbolen aus der Kabbala umgeben war – an seinen Platz hängen konnte, da tauchte auch schon der Hermaphrodit auf.
    Phillip trug einen Hausanzug im Mao-Look. Das einfache, kragenlose und sackähnlich geschnittene Gewand ließ ihn noch geheimnisvoller erscheinen. Phillip war groß und schlank und hatte eine unnatürlich blasse, fast durchscheinende Haut. Er hatte silbriges Haar, das sein Gesicht mit den goldenen Augäpfeln wie das eines Engels umrahmte. Die Bluse hing schlaff über seiner Brust, denn an diesem Tag hatte er keine sekundären weiblichen Geschlechtsmerkmale entwickelt.
    Phillip war ein Zwitterwesen, nicht Mann, nicht Frau – und dann wieder beides zusammen; er war kein normaler sterblicher Mensch, aber auch kein Dämon, sondern ein Wesen, das dazwischen stand, ein Wesen, weder den Gesetzen dieser Welt noch denen des Reichs der Finsternis unterworfen. Er bewegte sich zwischen Zeit und Raum. Und dementsprechend war auch sein Handeln, Fühlen und Denken. Niemand konnte seine Psyche ergründen. Er war schlechthin ein Orakel.
    Bevor Dorian den Tresor schließen konnte, stand Phillip neben ihm. In seinen goldenen Augen spiegelte sich der Drudenfuß. Phillip streckte eine seiner schlanken Hände danach aus, doch dann zuckte er zurück.
    »Nicht, Phillip!« sagte Dorian leise. »Es ist noch zu früh.«
    Phillips Gesicht verzerrte sich leicht, als würden ihn die Worte des Dämonenkillers schmerzen.
    »Gefällt dir dieser Drudenfuß?« erkundigte sich Dorian, während er Phillips Arm herunterdrückte.
    Der Hermaphrodit öffnete den Mund, aber kein Laut kam über seine Lippen. Dorian schloß den Tresor und hing das Bild mit dem phosphoreszierenden Kreuz davor. Coco trat an Phillips Seite und drehte ihn sanft herum.
    »Es besteht kein Grund zur Aufregung, Phillip. Du brauchst dich wegen des Drudenfußes nicht zu beunruhigen. Die magischen Kräfte, die in ihm wohnen, können uns nichts anhaben, sondern sie werden uns von Nutzen sein.«
    »Ah, habe ich es mir doch gedacht!« ertönte da eine keifende Stimme von der Tür des Arbeitszimmers her.
    Eine kleine, gebeugt gehende Frau von etwa sechzig Jahren mit einer weißen Schürze und einem Häubchen war in der Tür aufgetaucht. Es war Miß – und darauf, daß sie immer noch ein Fräulein war, legte sie besonderen Wert – Martha Pickford, der gute Hausgeist in der Jugendstilvilla und Dorian Hunters Sargnagel.
    »Phillip hat sich während Ihrer Abwesenheit glänzend erholt«, keifte sie weiter. »Ja, er ist geradezu aufgeblüht. Aber kaum kamen Sie aus Amsterdam zurück, da verfiel er wieder merklich. Gibt es nicht noch ein paar Rattennester, die Sie ausräuchern müssen, Mr. Hunter?«
    »Seien Sie doch nicht so zanksüchtig, Miß Pickford!« griff Coco Zamis schlichtend ein. »Dorian hat Phillip kein Härchen gekrümmt. Er ist ganz überraschend
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