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025 - Die Spinne

025 - Die Spinne

Titel: 025 - Die Spinne
Autoren: Maurice Limat
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sollte ich dich nicht aus ganzem Herzen lieben? Manchmal sage ich mir, dass ich diese bewunderwerte Frau nicht verdiene. Und wenn ich sie ansehe, blond und voll erblüht, hundertmal schöner als diese mageren, aufgeputzten Starlets, dann gratuliere ich mir zu meinem Glück. Ich weiß, dass meine Freunde mich beneiden. Aber Silvia geht auf keinen Flirt ein.
    Ja, ich bin glücklich. Aber es gibt Elna.
    Und dann habe ich auch meinen kleinen Gast. Gewiss wäre ich tausendmal glücklicher, wenn ich nur Silvia gehörte. Aber das Schicksal hat es anders gewollt. Und seit der Expedition, die mich nach Guyana führte, gibt es in meinem Leben Elna. Auf der Rückreise wachte ich eifersüchtig über meine Glaskasten, die ich dem Museum aushändigte.
    Alle, bis auf einen.
    Den deinen, mein Schatz. Den. in dem ich dich – beinahe hätte ich gesagt liebevoll – hege und pflege. Wenn Silvia das wüsste.
    Die Maus im Käfig bewegt und windet sich, als ob sie ahnte, welch grässliches Schicksal ihr bevorsteht. Das gleiche Entsetzen erfüllte sicher, in jenen vergangenen Zeiten, als man den Göttern Menschenopfer darbrachte, jene Unglücklichen, auf die das Los gefallen war. Gewiss verspürten sie im voraus die Glut des Scheiterhaufens oder die Schneide des Fallbeils.
    Ich stelle den Käfig mit den Mäusen ab und beuge mich über den Kasten. Die Maus rennt wie wahnsinnig zwischen den Gitterstäben hin und her. Du bist ruhiger. Zusammengeballt wartest du. Gleich wirst du dich ausstrecken und auf deine Beute stürzen. Sobald dein Gift in sie eingedrungen ist, kann sie dir nicht mehr entkommen. Dann kannst du dich in aller Ruhe an deinem Festmahl ergötzen.
    Ich lasse die obere Verschlussplatte des Glaskäfigs zurückgleiten. Direkt unter mir sehe ich die winzige Dekoration, über achtzig Zentimeter lang. Mit ihr wollte ich dir ein Bild deiner tropischen Heimat vorgaukeln.
    Auf dem Boden Erde und Steine. darauf einige Kakteen und Fettpflanzen, Lianen, die hier in unseren Breiten nur mit viel Mühe und Pflege gedeihen. Der alte Professor Chivas. dem ich den Auftrag zur Expedition zu verdanken habe, fand den Käfig sehr schön.
    „Das hast du fein gemacht, Jose, meinen Glückwunsch. Wirklich sehr gelungen.“ Und mit seinem meckernden Lachen setzte er hinzu:
    „Ich hoffe, dass diese hübsche Dekoration und das reizende kleine Tierchen darin auch deiner Frau angenehm sind.“
    Ich habe dem Professor klargemacht, wie sehr sich meine Frau für meine Arbeiten interessiert, und ihn daran erinnert, dass sie, obwohl sie über keinerlei Diplom verfügt, immer meine beste Mitarbeiterin war.
    So bist du also in dem Rahmen, in den du gehörst.
    Ich versuche, dich in dem flockigen Haufen zu erspähen, in dem du dich verbirgst. Ich meine, dich zu sehen. Ja. natürlich, das passt zu dir. Du bist geschickt, aber ich bin auch nicht dumm. Natürlich beobachtest du mich mit deinen kleinen blutunterlaufenen Augen. Du weißt, dass ich dir etwas bringe. Im voraus läuft dir das Wasser im Mund zusammen.
    Um das Netz herum liegen einige Reste, bei deren Anblick es Silvia übel wird. Ein paar kleine Knochen. Skelette der Mäuse, mit denen du in letzter Zeit deinen Hunger gestillt hast.
    Ich würde sie ja forträumen, aber Chivas meinte: „Man glaubt sich richtig in die Umgebung versetzt. Um ihre Erdlöcher herum findet man immer die Reste ihrer Fleischmahlzeiten.“
    Schließlich weiß ich es aus Erfahrung, denn ich habe sie an Ort und Stelle beobachtet und bin bis in die Berge von Tumucumaque vorgedrungen.
    Nun ergreife ich den Gitterkäfig, in dem immer noch die kleine Maus herumrennt. Mit einem Fingerdruck löse ich den Verschluss der Falle.
    Ich habe gesehen, wie du dich bewegt hast. Dein ganzes mit weißem Gespinst bedecktes Versteck zitterte unter deinen kräftigen Beinen.
    Denn du hast deine Beute gerochen und wirst mir dafür dankbar sein, und deine eigentümliche Macht wird auf mich, deinen Freund und Herrn, zurückstrahlen.
    Nein, nicht dein Herr, dein Sklave, der bereit ist, alles für dich zu tun, selbst nächtelang nach Mäusen zu jagen, wenn es sein müsste und du es verlangtest.
    Klack! Der Gitterkäfig springt auf, und die Maus läuft heraus. Die Unglückliche glaubt wohl, dass der Weg in die Freiheit führt.
    Langsam trete ich zurück und lasse die Deckplatte wieder einrasten.
    Nun ist sie mit dir zusammen eingesperrt, und keine Macht der Welt kann sie mehr retten.
    Mein Herz klopft. Gebannt verharre ich auf meinem Beobachterposten.
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