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0249 - Die Stunde der Bestien

0249 - Die Stunde der Bestien

Titel: 0249 - Die Stunde der Bestien
Autoren: Die Stunde der Bestien (2 of 2)
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dir, Beppo. Ich verdanke dir so viel…«
    »Unsinn«, sagte der Clown. Dann stand er auf, reckte sich und brummte: »Little Joe, du bist doch mein Freund?«
    Der Liliputaner hob ruckartig den Kopf.
    »Na ja«, brummte Beppo, »nimm mir mein dummes Gerede nicht übel. Alte Leute werden manchmal kindisch, heißt es. Ist ja möglich. Manchmal muss man sich eben aussprechen, weißt du?«
    »Du kannst mir alles sagen, Beppo«, versicherte der Liliputaner. »Alles.«
    Beppo lachte. Zusammen verließen die beiden ungleichen Männer den Wagen, den sie bewohnten. Langsam schritten sie durch die nächtliche Dunkelheit. Drüben, am Ende der Wohnwagenstadt, erhob sich massig, breit und hoch wie ein Berg das Zelt.
    Ein paar Minuten gingen sie schweigend nebeneinander her.
    Sie schlenderten durch die Nacht. Über ihnen hingen die Sterne am mondlosen Himmel wie abertausend glitzernde Diamantsplitter auf einem samtschwarzen Grund, der ihre kalte Schönheit zur Geltung bringen sollte.
    Vielleicht war es nicht nur ein Zufall, dass sich ihre Schritte unbewusst dem Zelt zu lenkten. Es gab keinen Grund, warum sie überhaupt das Zelt betraten. Sie taten es mit der Absichtslosigkeit, mit der ein Spaziergänger sich bald nach rechts und bald nach links wendet. Aber als sie im Zwischengang standen, sahen sie plötzlich das Licht in der Manege.
    Sie stutzten, blieben stehen und sahen sich fragend an.
    »Vielleicht hat Ralley vergessen, nach der Kontrolle alle Scheinwerfer wieder auszuschälten«, murmelte Little Joe.
    Er wusste so gut wie Beppo, dass Ralley niemals etwas vergaß, was zu seinem Pflichtenkreis gehörte. Auf Zehenspitzen tappten sie über den Rasen, der büschelweise unter ihren Füßen wuchs. Leise zupfte Beppo ein Ende des schweren Vorhangs beiseite, mit dem der Zwischengang von der Manege getrennt war.
    Die Sägespäne in der Manege glitzerten wie helles Gold im Widerschein der vielen Jupiterscheinwerfer. Verlassen und öde lagen die Bänke ringsum auf den Zuschauertribünen. Totenstille herrschte. Gespenstisch wirkten die ruckartigen Bewegungen des einsamen Mannes, der mitten in der Manege stand und sich immer und immer wieder nach allen Seiten lange und tief verbeugte.
    Sein Gesicht war nur noch eine gräßlich entstellte Fratze. Narben hatten unauslöschliche Spuren hinterlassen. Die Lider des linken Auges waren bis auf einen winzigen schmalen Spalt zusammengezogen. Es war nicht zu erkennen, ob der Mann in der grün-roten Livree der Manege-Diener überhaupt das linke Auge noch besaß.
    Nur ein paar Sekunden lang schauten die beiden heimlichen Besucher zu. Dann ließ Beppo den Vorhang lautlos wieder zurückfallen. Er tastete im Dunkeln nach der Hand des Liliputaners und zog ihn hinter sich her, hinaus in die Kühle der schwarzen Nacht.
    Sie hatten schon fast ihren Wohnwagen wieder erreicht, als Little Joe flüsterte: »Es muss furchtbar für ihn sein, dass er sich nie zeigen darf…«
    »Ja«, erwiderte Beppo. »Eine Hölle kann nicht viel schlimmer sein.«
    Kein Wort wurde weiter über die gespenstische Szene verloren, die sie beobachtet hatten. Schweigend stapften sie die Stufen zu ihrem Wohnwagen hinauf. Beppo erklärte, dass er jetzt müde sei. Sie zogen sich aus und legten sich zu Bett. Beppo löschte wie üblich das Licht aus.
    Holz knarrte leise. Das Atmen der beiden Männer tönte schwach durch die Stille. Nach langer Zeit klang noch einmal die zarte, schwache Stimme des Liliputaners auf.
    »Beppo…?«
    »Ja?«
    »Willst du mir nicht sagen, was dich bedrückt?«
    Gespannt lauschte der Liliputaner. Die Antwort ließ lange auf sich warten. Als sie kam, hatte sie trotz ihrer geringen Lautstärke etwas bestürzend Endgültiges, Unwiderrufliches, über das man nicht debattieren kann.
    »Es ist nicht so, dass es mich bedrückt«, sagte Beppo. »Ich möchte nur gern, dass du es auch weißt… Aber versprich mir, dass du es nicht tragisch nimmst, Little Joe. Das musst du mir versprechen.«
    »Ja, Beppo«, sagte der kleine Mann aus der Finsternis heraus. Seine Stimme klang leise wie ein Hauch. »Ich verspreche es dir.«
    Beppo holte tief Luft, Man hörte es deutlich. Und dann sagte er: »Ich weiß, dass ich bald sterben werde, Little Joe… Bald…«
    ***
    »Dass dies ein höllischer Fhll oder vielmehr eine Kette von höllischen Fällen ist, Gentlemen, bezweifle ich nicht im Mindesten«, erklärte Richard D. Shandley, der Generalstaatsanwalt von New York.
    Er war der hagerste Mensch, den ich je gesehen habe. Sein Anzug
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