Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
0249 - Die Stunde der Bestien

0249 - Die Stunde der Bestien

Titel: 0249 - Die Stunde der Bestien
Autoren: Die Stunde der Bestien (2 of 2)
Vom Netzwerk:
Bett. Arbeit und das Gleichmaß der Jahreszeiten bestimmten seinen Lebensrhythmus. Anders war es bei Roger.
    Sechsmal innerhalb von vier Jahren hatte er heimlich die Farm seines Vaters verlassen. Die Sehnsucht nach der ewig unerreichbaren Feme brannte in seinen Adern. Der alte Pioniergeist der Sinsdales rollte noch einmal mächtig durch seine Brust. So wie die Vorfahren mit Gewehr und Pflug und Wagen sich ihren Weg nach Westen gesucht hatten, in die unerschöpfliche Weite des neuen Kontinents hinein, so trieb es den Jungen hinaus und über die Hügel in die Feme des Horizonts.
    »Ich bin immer wiedergekommen«, bekannte Roger Sinsdale. »Immer. Mir fehlte die Energie zum Durchstehen. Nein, nein, Mister Elldon, keine Phrasen. Ich hatte die Sehnsucht meiner Vorfahren, aber nicht ihre unbesiegbare Energie. Sechsmal kam ich zurück. Sechsmal prügelte mich mein-Vater windelweich. Siebenmal nahm ich mir vor, wieder davonzugehen, sobald ich abermals einen kleinen Betrag zusammengespart hätte.«
    Und dann war der Tag gekommen, der ein schwarzer Tag in der Familienchronik der Sinsdales war. Gleich am frühen Morgen hatte Roger gewusst, dass es ein Tag würde, der geeignet war, ein siebentes Mal davonzulaufen in die blaue Ferne hinein. Am Nachmittag wollte ein Viehhändler aus Bloomington kommen. Auf seinem Lastwagen konnte man sich leicht verstecken. Und von Bloomington aus führte die Eisenbahn weiter.
    »Mein-Vater sah es mir an der Nasenspitze an, was ich vorhatte«, berichtete Roger Sinsdale mit tonloser Stimme. Sein Gesicht hatte jetzt alle Farbe verloren und wirkte bleich und weiß wie das Antlitz eines Toten. Monoton fuhr seine Stimme fort: »Er stellte mich im Schweinestall, als ich das Versteck meines Geldes aufsuchen wollte. ›Hör zu, mein Junge‹, sagte er ohne spürbare Erregung, ohne Zorn, wie sonst, ›ich habe diese Farm für dich aufgebaut. Du bist der letzten Sinsdale nach mir. Wenn du noch einmal davon läufst und alles im Stich lässt, was vier Generationen mit Blut und Schweiß erkämpft haben, jage ich mir eine Kugel durch den Kopf .‹ - das sagte er. Dann drehte er sich auf dem Absatz um und ging hinaus. Ich sah ihn nicht mehr, denn ich wich ihm aus. Ich glaubte seiner Drohung nicht. Nie hatte er mich fühlen lassen, dass er mich liebte. Immer war er rauh, hart und grob gewesen. Am Nachmittag kam der Viehhändler. Ich kletterte heimlich auf seinen Wagen. Mein Vater handelte mit ihm, weil es üblich war, um den Preis. Als sie sich einig waren, tranken sie zusammen fast eine Flasche Whisky aus. Der Viehhändler setzte sich ans Steuer. Drüben, jenseits des nächsten Hügels, führt der Weg knappe hundert Yard hoch oben auf einer Böschung entlang. Er verlor die Gewalt über das Steuer. Der Wagen überschlug sich sechs- oder siebenmal. Ich hatte abspringen wollen und war mit dem Arm in einer Lederschlaufe der Plane hängengeblieben. Der Wagen stürzte quer über mich. Ich lag fast sechsunddreißig Stunden darunter. Mit zerschmetterten Beinen, bei vollem Bewusstsein, aber mit der Hölle im Leib. Endlich fiel das Ausbleiben des Viehhändlers auf. Man machte sich auf die Suche. Man rief meinen Vater an, aber es meldete sich niemand. Man fand den Wagen, man fand mich. Ein Reiter jagte hinüber zur Farm, um meinen Vater zu verständigen. Er konnte ihm nichts mehr sagen Vater muss gesehen haben, wie ich auf den Lastwagen kletterte. Er erschoss sich, als er sicher sein konnte, dass der Wagen weit genug entfernt war…«
    ***
    »Warum zum Teufel, haben Sie so gebrüllt?«, fuhr Phil die alte Mexikanerin an, nachdem wir erst einmal herausgefunden hatten, dass der Schrei aus ihrem Wagen gekommen war.
    Das faltige lederne Gesicht der uralten Frau befand sich in ständiger Bewegung. Auch die strichförmigen Lippen klappten unaufhörlich auf und zu. Trotzdem kam kein Laut aus ihrem zahnlosen Mund.
    »Man hat Sie bedroht?«, forschte Phil. »War jemand in Ihrem Wagen?«
    Die alte Frau lag auf ihrem Bett und hatte die grauen Wolldecken, mit denen sie sich zudeckte, bis ans Kinn her aufgezogen. Ihre dürren Krallenfinger umklammerten das Ende der Decken, als böten sie einen undurchdringlichen Schutz.
    »Hören Sie mal«, seufzte Phil. »Sie haben einen Schrei ausgestoßen, der alle Leute ringsum sonst was glauben ließ. Es hat lange genug gedauert, bis wir von den Nachbarn erfahren konnten, dass der Schrei aus diesem Wagen kam. Sie müssen doch einen Grund gehabt haben, so erbärmlich zu schreien? Haben Sie
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher