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024 - Lebendig begraben

024 - Lebendig begraben

Titel: 024 - Lebendig begraben
Autoren: Hugh Walker
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half seinem und meinem Ruf.
    Mein Fall erweckte nun Mitleid. Was musste ich nur ausgestanden haben in diesen Tagen und Nächten im Sarg! Ich schürte das Interesse und das Mitgefühl mit einer kleinen Artikelserie in den lokalen Zeitungen an. Dabei übertrieb ich. Ich hatte nicht nur diese halbe Stunde gelähmt im Sarg gelegen, sondern ganze zwei oder vier Tage nach meinem Tod. Das alles steigerte den Hass auf den Mörder, den die Polizei nicht aufzufinden in der Lage war. Ihr fehlten alle Anhaltspunkte. Sie hoffte auf mich und meine Erinnerung, aber ich täuschte Schock und Gedächtnisverlust vor. Nicht nur der Mord, sondern die beiden letzten Tage überhaupt waren meinem Gedächtnis entschwunden.
    Das gab ich auch Millie gegenüber an. Je weniger sie wusste, desto besser war es. Ich hatte nicht viel Zeit, an unser Verhältnis zu denken, aber ich spürte, dass wir uns fremder wurden. Richtig geliebt, das wusste ich, hatte sie mich nie – wenigstens soweit ich mich zurückerinnern konnte.
    Doch ich kramte bald vergeblich in meinen Erinnerungen. Bestürzt erkannte ich, dass meine Vergangenheit von Tag zu Tag früher in einer großen Leere endete. Das Alter und der Gedächtnisschwund ließ Millie bald fremd und bedeutungslos erscheinen. Das Zusammengehörigkeitsgefühl, das nach einer langen Ehe durch die Gewohnheit wächst, verschwand. Ich fühlte mich wie fünfundzwanzig oder dreißig. Sie konnte meine Mutter sein. Ich wusste nicht mehr, wie es war, fünfzig zu sein. Ich wollte es auch gar nicht mehr wissen. Es erschien mir unglaublich. War ich je. fünfzig gewesen? Ein absurder Gedanke! Wäre nicht Dr. Penkritz gewesen, der ein Stück dieser unglaublichen Vergangenheit war, so hätte ich sie längst für einen verrückten Alptraum gehalten.
    Während dieser Tage erwartete ich insgeheim, dass Geissler sich blicken ließe, um zu vollenden, was ihm beim ersten Mal nicht gelungen war. Aber er war klug genug, meine Nähe zu meiden, in der es von zivilen Polizeibeamten die mich Tag und Nacht im Auge behielten, nur so wimmelte.
    Ein paar Tage später überlegte ich verzweifelt, welches Motiv wohl Geissler gehabt haben könnte, mich umzubringen. Ich brachte einen halben Tag damit zu, darüber nachzugrübeln, bis mir nebelhaft in den Sinn kam, dass es etwas mit seiner Frau Amanda zu tun gehabt hatte; aber was, das wusste ich nicht mehr.
    Von diesem Augenblick an wurde mir klar, dass ich drauf und dran war, alles zu vergessen, was mit meinem früheren Leben zusammenhing. Ich fing an, mir Dinge, die mir wichtig erschienen, und die in der Hauptsache mit Geissler zusammenhingen, aufzuschreiben. Je mehr meine Erinnerungen schwanden, je mehr Angst hatte ich. Ich fühlte die ständige Drohung. Ich hatte Angst, zu vergessen, dass es ihn gab.
    Eines Nachts wachte ich schweißgebadet auf, eilte zu meinem Schreibtisch und blätterte verzweifelt meine Notizen durch. In einem Anflug von Panik erkannte sich, dass ich weder ein Bild besaß noch eine Beschreibung Geisslers. Und ich hatte vergessen, wie er aussah.
     

     

Ich stand vor dem Haus und betrachtete es unschlüssig. Es war ein kleines Einfamilienhaus am Stadtrand; ein verschnörkeltes Gebäude in einem ziemlich großen Garten. Ich wusste aus meinen Aufzeichnungen, dass ich bereits hier gewesen sein musste, aber der Anblick erweckte keine Erinnerungen.
    Ich verglich noch einmal die Adresse. Sie stimmte. Unbehaglich musterte ich den Garten. Er würde mich kommen sehen, egal von welcher Seite ich durch den Garten auf das Haus zuspazierte.
    Ich musste warten, bis es dunkel wurde. Aber wie sollte ich ihn dann fotografieren? Es war zwar möglich, dass ich sein Gesicht nicht mehr vergaß, wenn ich es jetzt wieder sah, aber ich wollte sichergehen.
    Ich schritt über die Straße und schlenderte zum Gartentor Geisslers. Dort sah ich mich kurz um. Niemand kam die Straße entlang. Rasch drückte ich auf die Klingel und duckte mich hinter die Büsche. Mit gezückter Kamera wartete ich auf das Öffnen der Haustüre. Es dauerte etwa eine Minute, bis sie sich öffnete. Ich hielt den Atem an und starrte durch den Sucher.
    Enttäuscht ließ ich den Apparat sinken. Es war nicht Geissler, der erschien, sondern ein Mädchen. Sie war dunkelhaarig und mochte etwa siebzehn sein. Ihr hübsches Gesicht blickte verwundert zum Gartentor, an dem niemand stand. Einen Augenblick schien es, als würde sie herkommen, aber dann hob sie nur die Schultern und verschwand wieder, ehe ich mir darüber klar wurde, ob
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