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024 - Lebendig begraben

024 - Lebendig begraben

Titel: 024 - Lebendig begraben
Autoren: Hugh Walker
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sich?“
    Es war der Priester.
    „Ja“, keuchte ich. „Für alle Zeiten.“
    Er war enttäuscht, als ich nichts weiter sagte.
    „Sie waren klinisch tot“, fuhr er hastig fort, als hätte er Angst, Millie könnte hören, was er sagte, oder mich wegreißen von ihm. „Haben Sie – etwas – Ungewöhnliches – empfunden – oder erlebt – oder …“
    „Ja, Herr Pfarrer, die Hölle habe ich erlebt.“
    „Die Hölle?“ wiederholte er verwundert.
    Dann verstand er, was ich meinte, und dass ich nicht das Wunder war, das er sich einen Augenblick lang erhofft hatte.
    Zum ersten Mal sah ich mich um. Ich gewahrte eine Menge Menschen in Trauerkleidung – in sicherer Entfernung. Sie begannen zögernd näher zu kommen, als sie merkten, dass ich nicht das Monster war, für das sie mich gehalten hatten.
    Ich schüttelte mich plötzlich vor Lachen.
    „Haben die alle Angst gehabt?“ fragte ich.
    „Ja, Gerrie“, sagte Millie und drückte mir die Hand, die sie noch immer hielt.
    Ich sah auf, und ihr vertrauter Anblick, ihr angegrautes Haar, ihr schmales, mit fünfzig noch immer glattes Gesicht – das alles wirkte real und beruhigend auf mich. Der Alptraum war vorbei. Dann erst sah ich das Erschrecken und die Verwirrung in ihren Zügen.
    „Du hattest auch Angst, nicht wahr?“ fragte ich sie. „Du hast sie noch?“
    Sie schüttelte den Kopf.
    „Ich muss mich wohl der Meute stellen?“ meinte ich schließlich, als die Trauergäste herankamen.
    „Ich fürchte, ja, Herr Bermann“, meinte der Priester. „Ihre – ah – Auferstehung hat eine Menge Leute in Misskredit gebracht. Aber jetzt ist es wohl besser, wenn ein Arzt sich erst um Sie kümmert. Können Sie ihn stützen, gnädige Frau? Martin, helfen Sie mit!“
    „Ja, Herr Pfarrer.“
    Millie und der Totengräber, der so eifrig bemüht gewesen war, mich einzugraben, halfen mir hoch. Er schien noch immer nicht ganz frei von gespenstischen Vorstellungen, und wohl nur die Tatsache, dass Millie nicht von meiner Seite wich, hielt ihn davon ab, einfach das Weite zu suchen.
    „Bringen Sie ihn in das Büro der Friedhofsleitung und lassen Sie einen Arzt kommen, Ich werde inzwischen die Trauernden um Verständnis für die Situation bitten. So haben Sie wenigstens ein paar Stunden Ruhe.“
    „Danke“, sagte ich.
    Es war gut, gestützt zu werden, aber ich fühlte, wie die Kräfte zurückkehrten. Nach ein paar Schritten wandte ich mich noch einmal nach meinem Grab um. Es war ein verlassenes, bedeutungsloses Loch im Boden – mit einem Hügel Erde und Blumen davon.
    Auch der Totengräber sah zurück.
    „Schade um die schönen Kränze“, bemerkte er.
    „Tut mir leid“, erklärte ich, „dass ich euch das schöne Begräbnis vermasselt habe.“
    „Ach, hör auf!“ rief Millie und begann zu weinen.
    „Na, na“, murmelte ich und drückte sie fest an mich.
    Sie blieb stumm während des Weges zum Haus, und auch der Totengräber zog es vor, zu schweigen. Ich war dankbar, denn in mir jagten sich die Gedanken. Im Haus führte Martin mich in den ersten Stock. An der Tür stand: Friedhofsleitung – Hermann Hausruckinger. Wir traten ein, ohne anzuklopfen. Es war niemand da.
    Martin zog mich auf eine Bank, die vor einem alten Schreibtisch stand, aber Millie sagte plötzlich: „Warten Sie! Er muss etwas sehen.“
    Martin ließ mich los. „Wie Sie meinen, gnä’ Frau. Ich rufe inzwischen den Arzt.“
    Während er sich am Telefon zu schaffen machte, schob mich Millie auf die gegenüberliegende Wand zu, und ich starrte fassungslos in einen Spiegel.
    Das Gesicht, das mir entgegenblickte, war mein eigenes, da gab es keinen Zweifel. Aber ich war dreiundfünfzig geworden vor zwei oder drei Wochen -und mein Spiegelbild war keine dreißig!
     
     

     
    Die nächsten Tage waren ein Alptraum. Ich konnte mich der Neugierigen kaum erwehren. Die Polizei stellte eine Menge Fragen – vor allem, da der Mord – jetzt natürlich nur noch ein Mordanschlag – noch immer ungeklärt war. Ich behielt für mich, was ich wusste. Es gelüstete mich nach Albrecht Geissler.
    Ich hatte ein eingehendes Gespräch mit Dr. Penkritz, der mich untersucht und den Totenschein ausgestellt hatte. Er war sehr kooperativ. Das lag vor allem daran, dass sein guter Ruf als Arzt beim Teufel war, wenn bekannt wurde, dass er mich lebendig hatte begraben lassen wollen. Natürlich würde trotz allem etwas durchsickern, aber es lag auch in meinem Interesse, dass die Sache nicht breitgetreten wurde. Ich brauchte Ruhe. Ich
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