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024 - Lebendig begraben

024 - Lebendig begraben

Titel: 024 - Lebendig begraben
Autoren: Hugh Walker
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war.
    Mein Atem kam keuchend. Mein Herz schlug rascher. Ich spürte das Blut in meinem Hals pochen.
    Eine Stimme begann sakral und teilnahmslos zu sprechen. Der Priester hatte seine Totenrede begonnen.
    Ich versuchte erneut, zu schreien. Ein heiserer Laut kam aus meiner Kehle. Aber er war nicht laut genug. Die da draußen hatten nichts vernommen.
    Der Priester fuhr unbeirrt fort. Er sprach ohne Wärme, und die Worte, mit denen er das Leben des Verblichenen pries, waren kalt wie das Grab.
    Ich glaubte, bereits zu ersticken, rang nach Atem – aber es war nur meine Angst, die mir die Kehle zuschnürte. Und die Finsternis – und der Geruch von Weihrauch – und diese monotone Litanei; das verteufelte Bewusstsein, in einem Sarg zu liegen – dass bereits einer ungeduldig die Kurbel hielt, um mich hinabzulassen.
    Etwas fiel tropfenweise auf den Sarg. Die Stimme des Priesters klang plötzlich lauter und teilnahmsvoller.
    „… des Vaters …“
    Wieder die Tropfen.
    „… und des Sohnes …“
    Die letzte Segnung, dachte ich alarmiert.
    „… und des Heiligen Geistes. Amen.“
    Der Sarg ruckte, sackte nach unten. Die Kurbel kreischte und übertönte meinen Schrei. Ich bekam die Fäuste hoch und schlug gegen die Sargwände. Sie mussten es hören! Diese verdammte Winde!
    Wild schaukelnd kam der Sarg auf dem Boden der Grube an. Ich begann, wie verrückt zu klopfen. Etwas prasselte auf den Sargdeckel. Erde. Die erste Handvoll; dann eine zweite – eine dritte … Sie nahmen Abschied von mir.
    Wie zum Hohn dachte ich in diesem Moment, dass sie mich vielleicht gar nicht mehr hören wollten – dass ich gar nicht mehr in ihren Kram passte, nun da ich einmal abgeschrieben war. Für die Verstorbenen war kein Platz mehr an der Sonne. Es erfüllte mich mit Grimm, dass sie es so verdammt eilig hatten, mich unter die Erde zu bringen – dass sie so taub und blind waren. Und dieser plötzliche, völlig irrationale Zorn verlieh mir die nötige Kraft. Ein spitzer Wutschrei kam aus meiner Kehle. Gleichzeitig stemmte ich meine Arme gegen den Deckel und hob ihn tatsächlich eine Spur hoch, denn ein Schimmer von Licht drang für einen Augenblick ins Innere und machte mir bewusst, dass meine Augen jetzt weit geöffnet waren.
    Diesmal hatten sie mich gehört. Keine Erde fiel mehr herab.
    Nach einigen Sekunden, in denen mein Herz zum Zerspringen klopfte und ich verzweifelt nach neuen Kräften rang, hörte ich leise, kaum vernehmbar, die hysterische Stimme Millies.
    „Gerrie?“
    Statt einer Antwort drehte ich mich mit einem Ruck herum und stemmte den Deckel mit den Schultern hoch. Licht blendete mich. Schreie kamen von weit oben, wo der Himmel sein musste – den ich schon befürchtet hatte, nie wieder zu sehen. Füße trampelten. Erde kollerte auf mich herab und rieselte über meine Hände, mit denen ich aus dem Sarg griff.
    Es kostete unendliche Mühe, den Deckel so weit aufzudrücken, dass ich hinaus kriechen konnte.
    „Gottes Barmherzigkeit!“ hörte ich den Priester rufen.
    „Das gibt es nicht!“ schrie eine andere Stimme. „Wenn man tot ist, ist man tot!“
    Es war einer der Totengräber, und er begann plötzlich wie verrückt seines Amtes zu walten und schaufelte Erde auf mich herab, als gelte es, die Hölle zuzuschütten. Ich bekam die erste Ladung voll ins Gesicht und sank entkräftet und schluchzend zurück. Das war die Reaktion auf die Anspannung dieser letzten halben Stunde voller Todesangst; es war auch Ausdruck der Erleichterung darüber, dass nun nichts mehr geschehen konnte; sie hatten gesehen, dass ich lebte.
    Aber sie hatten Angst. Sie glaubten nicht, dass ich noch lebte; sie glaubten, ich wäre auferstanden von den Toten, zurückgekehrt aus dem Jenseits. Diese Narren!
    Millie schrie: „Nein! Hören Sie doch auf!“
    Ich sah eine schattenhafte Bewegung über mir. Sie schien den Mann mit der Schaufel erreicht zu haben, denn er hörte auf. Erneut versuchte ich, aufzustehen und mich zu befreien.
    „Millie“, murmelte ich.
    Ein Schatten verdunkelte das Grab. Zwei Hände kamen zu mir herab. Eine gehörte Millie, zur anderen gehörte das Gesicht des Priesters, das weiß war wie Kalk.
    Dann saß ich erschöpft am Rand meines Grabes und starrte hinab. Schwindel erfasste mich. Ich sank nach vorn, aber hilfreiche Hände hielten mich fest. Und jetzt an Herzschlag sterben, dachte ich unwillkürlich in einem Anfall von Galgenhumor: oder hineinfallen und sich das Genick brechen.
    Jemand beugte sich zu mir herab. „Erinnern Sie
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