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02 Winter am Ende der Welt

02 Winter am Ende der Welt

Titel: 02 Winter am Ende der Welt
Autoren: Annegret Heinold
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damit sie ein bisschen laufen kann und Peppermint bellt aufgeregt und fröhlich, springt dreimal hoch in die Luft und weg ist sie. Aber so was von weg in Sekundenschnelle, das ist unglaublich.
    Und jetzt, fragt Clara. Weiß nicht, sage ich, wir müssen sie suchen. Wir müssen sie suchen, nicht, dass so ein Puma sie frisst, und wie soll ich das April erklären? Und wer weiß, wie sich ein Puma verhält, der einen Prozac-Pudel frißt, geht das Prozac dann in den Puma über, oder was? Alles möglich. Und außerdem habe ich mich an den Hund irgendwie gewöhnt. Es ist ein netter kleiner Pudel, ich mag ihn.
    Wir rufen Peppermint, Peppermint, Peppermint und nach einer Weile, weil das so ein langes Wort ist, einfach Pepper, Pepper, Pepper .
    Pepper, Pepper, Pepper . Um uns die hohen Bäume. Die Flechten, hellgrün und fransig. Der Wald voll von hohen Farnen, große dichte dunkelgrüne Farne, es sieht ein bisschen wie ein Zauberwald aus. Und gut, dass es ein Trail ist und wir damit die Richtung haben, denn sonst könnte man sich hier schnell verlaufen, so gleich sieht das alles aus, jedenfalls für unsere Städteraugen. Womöglich hat sich der arme Pudel einfach verlaufen. Clara und ich rufen und laufen und suchen. Pepper, Pepper, Pepper ... Pepper, Pepper, Pepper ...
    Und plötzlich sagt eine Stimme: Ladies und wir drehen uns um. Und da steht ein Mann. Aber was für einer! Lange dunkle Haare. Kurzer gepflegter Bart. Typ Abenteurer. In Jeans und brauner Lederjacke. Kräftig. Durchtrainiert. Eine Art menschgewordener Puma. Ein Alpha-Mann wie aus einem von Claras Kitschromanen. Ein Mann wie aus einem von Alans Filmen. (Jedenfalls wäre das meine erste Wahl im Casting für so einen Film.)
    Der Mann hält uns eine Pfeffermühle hin. Eine von diesen kleinen Wegwerf-Gewürzmühlen, wo man die Pfefferkörner in dem Moment mahlt, wo man sie braucht.
    Ich sage nichts. Clara sagt auch nichts. Es hat uns beiden die Sprache verschlagen. Selbst Clara. Im Grunde tun wir automatisch das, was das Schild für eine Begegnung mit einem Puma vorschreibt. Wir drehen ihm nicht den Rücken zu, sehen ihn an und bleiben aufrecht stehen. Der Mann drückt mir die Pfeffermühle in die Hand und ich nehme sie, irgendwie. Aber ich kann immer noch nichts sagen. Der Mann guckt von Clara zu mir und wieder zu Clara. Clara sagt nichts. Ich auch nicht.
    Der Mann schüttelt den Kopf, sagt wieder: Ladies . Und weg ist er. Verschwunden. Im Wald.
    Jetzt fangen wir wieder an zu atmen. Was war das?
    Eine Erscheinung? Clara und ich sehen uns an. Clara hat ihn also auch gesehen. Vielleicht eine gemeinsame Halluzination, eine Art shared vision ? Jetzt sehen wir auf die Pfeffermühle. Eine ganz reale Pfeffermühle aus durchsichtigem Plastik. Der Mann kauft also offensichtlich ganz normal wie wir alle im Laden im Dorf oder in der Stadt ein. Und kochen kann er anscheinend auch, denn sonst hätte er ja nicht so eine Pfeffermühle, das heißt, jetzt hat er keine mehr, jetzt haben wir sie ja. Ein Mann, der so aussieht und der auch noch kochen kann!
    „Hallo die Enten“, sage ich. Das ist eigentlich Annas Ausdruck, aber ich benutze ihn jetzt einfach mal. Hallo die Enten.
    „Jeez Louise“, sagt Clara. Das sagt sie jetzt andauernd, das ist ein Mitbringsel aus LA, sozusagen.
    „Wow“, sage ich. „Wowers.“
    „Die Esoteriker haben recht“, sagt Clara. „Alles, was man braucht, ist in der Nähe. Und damit meine ich nicht den Pfeffer.“
    Ich sage nichts.
    „Das kann ich natürlich nicht in meinem Buch verwenden“, sagt Clara. „Das glaubt mir ja keiner.“
    Und dann fällt uns Peppermint wieder ein. Peppermint ist immer noch weg. Und jetzt trauen wir uns nicht mal mehr weiter Pepper, Pepper, Pepper in den Wald zu rufen. Obwohl – wäre doch gar nicht so schlecht, wenn der Typ wiederkäme, oder? Oder vielleicht lieber nicht. Wer will schon einen Traummann im realen Leben. Und wer weiß, wie er aussieht, wenn man ihn noch mal sieht und genauer hinguckt. Wer weiß, wer weiß, wer weiß. Und außerdem: ich will gar keinen Mann mehr in meinem Leben. Männer machen Arbeit – sagt Kathleen. Männer kontrollieren einen – sagt Clara. Männer betrügen einen früher oder später – sage ich.
    Wir rufen leise und pfeifen laut und plötzlich hören wir ein Geräusch. Wir gehen zum Ufer, da ist sie – die kleine Peppermint. Sie ist im Wasser und versucht verzweifelt ans Ufer zu schwimmen, aber sie hängt fest, an einem umgestürzten Baum, und sie ist schon ganz erschöpft,
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