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02 Winter am Ende der Welt

02 Winter am Ende der Welt

Titel: 02 Winter am Ende der Welt
Autoren: Annegret Heinold
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ich kann es sehen, ihr kleiner Kopf geht unter und kommt wieder hoch und geht wieder unter, und sie paddelt und paddelt und kommt nicht von der Stelle, weil da der Baum ist und sie versteht einfach nicht, dass sie einfach umdrehen müsste und schon könnte sie ans Ufer schwimmen.
    Und das erinnert mich natürlich sofort an mein Leben mit Jorge, man kämpft und kämpft und kommt nicht vorwärts und sieht nicht, dass es einen anderen Weg gibt und Peppermint wird ertrinken, wenn wir ihr nicht helfen, aber das Wasser ist eiskalt. Ich sehe Clara an und Clara sagt: „Geteiltes Leid ist halbes Leid“, und schon haben wir beide unsere Jacken ausgezogen und sind in dem eiskalten Wasser und Clara hält den Baum fest und ich ziehe Peppermint nach hinten. Und dann gehen wir glücklich ans Ufer.
    Peppermint ist ganz nass und sieht ganz dünn aus. Wir leider nicht. Das heißt, nass sind wir schon. Aber dünn sehen wir trotzdem nicht aus.
    Und da hören wir ein Geräusch und am Ufer steht Jeff. Jeffrey Thompson, der mürrische Einzelgänger, aber jetzt grinst er. Soweit man mit einem Kaugummi im Mund grinsen kann. Er hält seine Kamera hoch.
    Er hat uns fotografiert. Er wird das auf Facebook veröffentlichen, gleich neben seinem Bericht über den Zustand von The Road.
    „Hi Jeff“, sage ich.
    Jeff nickt.
    „Kannst du mir einen Gefallen tun?“, frage ich.
    „Warum sollte ich?“, sagt Jeff.
    „Stell es nicht auf Facebook, okay?“, sage ich.
    „Facebook“, sagt Jeff. „Na, das ist doch überhaupt DIE Idee.“
    Und weg ist er. Und wir stehen da, drei begossene Pudel, denen langsam so richtig kalt wird. Peppermint zittert schon und wir fangen auch an.

II
     
    Als die Kinder klein waren, haben wir uns mal bei einer Wanderung im Monsanto Park verlaufen. Das ist dieser große Park in Lissabon, der eigentlich kein Park ist, sondern ein Wald. Mit Hügeln und Wildnis. Mit einem großen Campingplatz an einem Ende und vielen Wanderwegen kreuz und quer. Die Kinder liefen sowieso nicht gerne, sie hassten diese Sonntagsspaziergänge und waren daher gleich von Anfang an am Maulen. Und ich war auch geladen.
    Ich hatte am Abend vorher herausgefunden, dass Jorge ein Verhältnis mit einer seiner Studentinnen hatte. Und zwar, weil diese Studentin, eine dunkelhaarige bebrillte Joana, bei uns vor der Tür stand und mich aufforderte, ihrem Glück nicht länger im Weg zu stehen.
    Mit anderen Worten, wir hatten eine dramatische und schlaflose Nacht hinter uns und gingen mit den Kindern im Monsanto Park spazieren, um nicht zu Hause weiter zu streiten. Und weil keiner so richtig auf den Weg geachtet hat, haben wir uns gründlich verlaufen. Und dann bekam Nicole Durst und Tiago Hunger. Und Jorge sagte zu mir: Ich verstehe nicht, wieso du nichts mitgenommen hast, Brote, Äpfel, Bananen, irgendwas, wie kann man denn mit den Kindern das Haus verlassen und nichts mitnehmen.
    Und ich habe daraufhin gesagt, du hättest ja auch was mitnehmen können. Und Jorge hat daraufhin gesagt, das ist nicht meine Aufgabe, das ist deine Aufgabe. Dein Job ist zu Hause, mein Job ist an der Uni. Und ich habe daraufhin gesagt, na was dein Job an der Uni ist, das haben wir ja gestern gesehen.
    Und daraufhin haben wir nichts mehr gesagt. Schon wegen der Kinder. Nicole war sieben und Tiago vier. Oder wie es immer so schön heißt, Nicole war sieben und und wurde acht, und Tiago war vier und wurde fünf. Nicole hat gesagt, ich habe Hunger. Und Tiago hat gesagt, ich habe Durst. Und Jorge und ich haben gesagt, jetzt reißt euch mal zusammen, man kriegt im Leben nicht immer, was man will und besser, man lernt das so früh wie möglich.
    Und daraufhin waren die Kinder doch wirklich ruhig und sind ohne zu Murren und Maulen gelaufen. Stundenlang. Und als wir später dann endlich im Café saßen und die Kinder an der Eistruhe standen, um sich ein Eis auszusuchen, hat Jorge gesagt, dass es ihm leid tut und dass ihm die Familie wichtig ist und dass er mich liebt und dass es nicht wieder vorkommen wird.
    Und als die Kinder mit dem Eis am Tisch saßen, habe ich zu den beiden gesagt: Das habt ihr super durchgehalten, wie habt ihr das bloß geschafft? Und Nicole hat gesagt, ich habe mir einen Witz erzählt und dann gings. Und dann hat sie uns den Witz erzählt und der ging ungefähr so:
    Eine Gruppe Ameisen greift einen Elefanten an. Sie entern den Elefanten und krabbeln bis oben auf seinen Kopf. Und da schüttelt sich der Elefant und sie fallen alle runter bis auf eine. Und nun stehen
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