Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
02 Winter am Ende der Welt

02 Winter am Ende der Welt

Titel: 02 Winter am Ende der Welt
Autoren: Annegret Heinold
Vom Netzwerk:
Eine Robbe, ein Adler, ein Rabe.
    Ich hüte einen Pudel namens Peppermint, weil April immer noch bei ihren Eltern ist. Ich gebe dem Pudel jeden Tag ein Prozac. Ich nehme selber nichts davon. Bin aber manchmal in Versuchung. Zum Glück hält mich der Rindergeschmack davon ab. Und ich hab praktisch mit niemandem wirklich geredet. Bis gestern Clara vor meiner Tür stand.
    „Was produziert Alan eigentlich“, frage ich Clara, um wieder auf andere Gedanken zu kommen.
    „Filme“, sagt Clara.
    „Und was für Filme?“, frage ich.
    „Alles mögliche“, sagt Clara.
    „Dokus?“, frage ich.
    „Unterhaltung“, sagt Clara.
    „Star Wars? Murmeltiertag? Schlaflos in Seattle?“, sage ich. Und frage mich, wieso Clara mir nicht einfach erzählt, was Alan filmt.
    „Eher Schlaflos in Sex City“, sagt Clara.
    „Oh“, sage ich.
    „Yep“, sagt Clara.
    „Wow“, sage ich.
    „Tja“, sagt Clara.
    Auf der anderen Seite des Fjords lichtet sich der Nebel etwas und man kann mehr von den blauen Bergen sehen. Kathleen kommt und schenkt uns noch Kaffee ein und geht wieder in ihre Küche. Dann kommt sie zurück und stellt einen Teller Haferkekse auf den Tisch. Wir sehen sie fragend an. „Geht aufs Haus“, sagt Kathleen. Kathleen ist in unserem Alter, super nett, hat drei Ehen hinter sich und zwei Kinder aus dem Haus. Jetzt lebt sie alleine und sagt gut so, jetzt kann sie tun und lassen, was sie will. Und ein Mann kommt ihr nicht noch mal ins Haus, damit ist sie durch. Kathleen ist da ganz klar. Sie weiß, was sie will und sie hat ihr Café, das sie ernährt. Ich habe nichts, was mich ernährt. Und ich weiß überhaupt nicht, was ich will.
    Clara hat wenigstens ihre Kitschromane, die kann sie überall schreiben. In Viseu oder in Buenos Aires oder in LA. In Viseu wohnt sie nämlich eigentlich. Und nach Buenos Aires wollte sie eigentlich. Aber in Buenos Aires ist sie nie angekommen. Weil sie beim Zwischenstopp in London auf dem Flughafen Alan kennengelernt hat. Und mit ihm einfach nach LA weitergeflogen ist, statt wie geplant nach Buenos Aires. Eigentlich ist Clara ihr ganzes Leben lang so gewesen. Sie ist irgendwo gestartet, um irgendwohin zu kommen und irgendwo anders gelandet. Und sie hat es nie bereut. Und irgendwoher müssen die Ideen für ihre Romane ja kommen, nicht wahr. Ich dagegen plane lieber im Voraus und halte mich dann auch dran.
    „Im Grunde seid ihr dann doch das perfekte Team“, sage ich zu Clara. „Du schreibst das Wärmende fürs Herz und Alan filmt das Heiße für die anderen Teile.“
    „Sehr witzig“, sagt Clara. „Sehr witzig.“
    Draußen hört es auf zu regnen, das ist perfekt, da kann Peppermint ein bisschen laufen und Clara sieht was von der Gegend. Wir fahren zum Leiner River Trail und ich lasse Peppermint aus dem Auto und nehme sie an die Leine. Der Leiner River Trail ist ein Weg durch den Regenwald kurz vor dem Dorf. Er ist schön gemacht, über die schlammigen Teile führen kleine Brücken, man hat eine Aussichtsplattform aus Holz, wo man weit über das Inlet sieht. Man geht über den Pfad und rechts und links ist Urwald mit hohen Bäumen, die von ausgefransten Flechten überzogen sind. Im Wald stehen ein paar Gedenksteine an Verstorbene. Irgendwo weit links liegt Johns Farm, verlassen, seit John vor einigen Jahren ins Altersheim gezogen ist. Noch weiter links weiter im Wald ein einfacher Campingplatz mit Tischen und Bänken und Klohäuschen, wo man campen kann, aber nie jemand campt und schon gar nicht im Winter.
    „Was ist das?“, sagt Clara.
    Sie bleibt vor dem großen blauen Schild stehen, das vorne am Trail steht. Eine Warnung vor Bären und Pumas. Ein paar Verhaltensregeln, damit man weiß, wie man sich verhält, wenn man so einem Tier begegnet. Ich ignoriere das Schild normalerweise, aber Clara bleibt davor stehen und liest sich alles durch. Das sollte man vielleicht lieber nicht. Da stehen Sachen drauf wie Bären sind unberechenbar und gefährlich , als ob man das nicht sowieso wüsste. Und im Grunde möchte man da ja nicht dran erinnert werden, schon garnicht, wenn man drauf und dran ist, diesen Wald zu betreten. Und wenn man auf einen Puma trifft, soll man nicht rennen, sondern langsam rückwärts gehen.
    „Jeez Louise“, sagt Clara. „Und hier gehst du spazieren?“
    Ich zucke mit den Schultern und wir gehen den Pfad in den Wald und Clara erzählt von LA und ich erzähle von Jorges Studentinnen. Und weil Peppermint jetzt schon seit Tagen an der Leine ist, mache ich sie mal ab,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher