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02 Winter am Ende der Welt

02 Winter am Ende der Welt

Titel: 02 Winter am Ende der Welt
Autoren: Annegret Heinold
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nichts Schlechtes, nicht wahr.
    „Das neueste Modell“, sagt Clara. „Das allerneueste Modell. Für jeden von uns eins.“
    „Ganz furchtbar“, sage ich. „Wie konnte er bloß!“
    „Du verstehst das nicht“, sagt Clara.
    „Dann erklär´s mir“, sage ich.
    Wir sitzen im Cookshack und gucken auf den Fjord. Der Cookshack ist ziemlich klein, im Grunde ein ganz simpler Bau, fast ein Container. War früher mal das Terminal für Island Air. Aber seit es die Straße über den Pass gibt, kommen fast keine Wasserflugzeuge mehr und niemand braucht mehr ein Terminal. Und so ist der Cookshack entstanden. Hier gibt es Kaffee und Frühstück, Snacks und Kuchen und einen fantastischen Blick über den Fjord.
    Clara steht auf und holt sich noch einen Kaffee. Das ist bestimmt der dritte oder vierte, aber Kathleen sagt nichts und wir werden es durch Trinkgeld ausgleichen. Es ist regnerisch und der Blick aus dem Fenster geht ins Grau-Blau. Fast wie eine Monochromie. Blaue Berge, grauer Himmel, blauer Fjord. Drüben am Ufer ein Streifen Grün, das sind die Tannen, und ein Streifen gelb, das ist das Gras im Winter.
    „Also“, sage ich.
    „Also“, sagt Clara. „Ich bin in Santa Monica spazierengegangen, in der dritten Straße, da wo die ganzen Geschäfte sind. Da gibt es einen Barnes and Noble , du weißt schon, dieser Buchladen, wo man ...“
    „Clara“, sage ich.
    „Okay“, sagt Clara. „Ich soll zur Sache kommen. Bin schon dabei. Ich also auf der dritten Straße und gucke Geschäfte, ich brauche ja eigentlich nichts, aber trotzdem, und Alan irgendwo in einem neuen Studio in Santa Monica, weil er da vielleicht was aufnehmen will, wegen dieser Musikgruppe von seinem Bruder, und da entsteht ...“
    „ CLARA “, sage ich.
    „Bin schon dabei“, sagt Clara. „Ich laufe also ein Stück weiter und plötzlich sind die Geschäfte zu Ende und es ist mehr so eine Wohngegend, aber irgendwie keine gute. Die Häuser klein und ein bisschen schäbig, Müll auf den Bürgersteigen, die Straße ziemlich leer, kaum Autos, nicht ein einziger Fußgänger. Und mir wird so ein bisschen mulmig.“
    Ich sage nichts, ich nehme einen Schluck von meinem Kaffee. So ist Clara, wenn sie erzählt, da kann man nichts machen.
    „Und da klingelt doch plötzlich mein i-phone und Alan ist dran.“
    Fast hätte ich gesagt, sieh an, er hatte anscheinend deine Telefonnummer und da soll noch mal einer sagen, Männer rufen nicht an, aber ich verkneife es mir, denn Claras Geschichte hat vermutlich noch irgendeine Pointe. Denke ich doch.
    „Und weißt du, was er sagt?“, fragt Clara und ich schüttel meinen Kopf.
    „Er sagt, ich soll umdrehen, das ist keine Gegend, wo man gut alleine läuft.“
    „Ja“, sage ich. „Da hatte er vermutlich recht.“
    „Er hat gewusst, wo ich war“, sagt Clara. „Verstehst du, er hat gewusst, wo ich war. Er hat unsere i-Phones synchronisiert oder wie das heißt und konnte immer sehen, wo ich bin. Jederzeit.“
    „Wow“, sage ich. „Beeindruckend.“
    „Er hat mich kontrolliert“, sagt Clara.
    „Er hat sich Sorgen gemacht“, sage ich.
    „Hier“, sagt Clara und zieht das Handy aus der Tasche. Klein, flach, elegant. Mit Extrahülle, so dass es über Solar geladen wird. Edel, edel, edel.
    „Hier gibt es keinen Handy-Empfang“, sage ich. „Die ganze Gegend hat keinen Empfang.“
    „Ich weiß“, sagt Clara und grinst.
    „Bist du deswegen hierher gekommen?“, frage ich.
    „Nein, nein“, sagt Clara. „Natürlich nicht. Ich wollte auch sehen, wie´s dir so geht. Ich habe von Anna gehört, dass du Jorge verlassen hast.“
    Wir rühren in unserem Kaffee. Ich sage nichts dazu, wie es mir so geht. Wie soll es mir schon gehen? Ich lebe hier seit über einem Monat in einer Art Parallel-Universum. Ich lebe in diesem kleinen Küstenort, wo die meisten Leute mit einem Truck durch die Gegend fahren und komme mir manchmal vor wie in einer Doku über den Norden Kanadas, obwohl es doch der Süden Kanadas ist. Ich fahre einen Van mit Automatik, was mir übrigens besser gefällt als diese Schalterei, ich hole mir Bücher aus der kleinen Bibliothek, ich leihe mir DVDs und sehe meine ganzen alten Lieblingsfilme. (Ist das gesund? Bin mir nicht so sicher). Manchmal laufen kleine Indianerkinder durch die Gegend. Montags gehe ich zum Pfannkuchen-Frühstück in die Kirche. Donnerstags gehe ich im Pub Pizza essen. Die Pizza ist heiß und gut, der Pub ist groß und kalt und die Wände sind aus Holz mit indianischen Zeichnungen.
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