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02 Winter am Ende der Welt

02 Winter am Ende der Welt

Titel: 02 Winter am Ende der Welt
Autoren: Annegret Heinold
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Foto muss da wieder weg. Und da gibt es nur eine Möglichkeit. Ich muss mit diesem doofen Jeff reden. Und ihn irgendwie dazu kriegen, dass er es da wieder rausnimmt.
     
    Und deswegen stehe ich am Abend vor Jeffs Tür und klopfe, weil die Klingel kaputt ist. Jeff wohnt im anderen Teil des Dorfes, dem Teil, der merkwürdigerweise Downtown genannt wird, obwohl er eher höher liegt als der Teil, wo ich wohne. Ich wohne im Tal, da, wo der Fluss aus den Bergen kommt und ins Inlet fließt. Das Tal ist schmal, gerade mal zwei Straßen, die parallel laufen. Vorne am Inlet ist es etwas breiter, da gibt es eine Tankstelle und einen kleinen Baumarkt und einen Laden mit Café und noch einer Tankstelle (ja, der Laden, und Shampoo ist immer noch aus, weil der Laster immer noch kaputt ist, nicht zu fassen). Wenn man nach Downtown will, muss man über die Brücke fahren und ein Stück zwischen Felsen und Fjord entlang gehen oder fahren, und dann liegen links von der Straße die drei Marinas und rechts am Hügel die teuren Häuser mit Blick auf den Fjord. Außerdem ist in Downtown das Gesundheitszentrum, das Postamt, der Cookshack, wo ich immer Kaffee trinken gehe und der Pizza-Pub.
    Jeffs Haus ist klein, aber gut in Schuss. Die Holzwände sind dunkelbraun gestrichen, die Tür ist dunkelrot. In der Garage ist Feuerholz gestapelt, ein Auto ist nicht zu sehen, womöglich ist er gar nicht zu Hause und ich stehe hier mit meiner Schüssel Frikadellen wie bestellt und nicht abgeholt.
    Ich hätte nie gedacht, dass ich mal mit einer Schüssel Frikadellen am Ende der Welt vor der Tür eines Mannes stehe, den ich a) nicht leiden kann und der mich b) auf Facebook bloßgestellt hat.
    Ich will mich schon umdrehen, ich kann hier schließlich nicht ewig mit einer Schüssel Frikadellen rumstehen, denn die Bären sind zwar im Winterschlaf, aber die Pumas nicht, da geht die Tür auf und Jeff guckt mich an. Ich halte ihm die Schüssel hin und Jeff nimmt sie.
    „Möchtest du reinkommen?“, fragt Jeff.
    „Gerne“, sage ich.
    Stimmt natürlich nicht wirklich, ist aber im Moment die korrekte Antwort, denn ich will ja was von Jeff und muss daher kleine Brötchen backen und gut Wetter machen.
    Ich gehe hinter Jeff ins Haus. Das Erdgeschoss besteht im Grunde nur aus einem Wohnzimmer und der Küche. Vielleicht noch ein Badezimmer. Eine Treppe geht nach oben, das ist bestimmt das Schlafzimmer, aber das interessiert mich natürlich nicht. Jeff hat einen Schreibtisch mit Blick auf den Fjord und ein sehr gemütliches Wohnzimmer, ehrlich gesagt. Hätte ich überhaupt nicht gedacht. Der Fußboden ist aus Holz und sieht neu aus. Auf dem Boden liegen bunte Läufer, die Möbel sind dunkel und gut gearbeitet. An den Wänden Fotos vom Regenwald und vom Inlet.
    Jeff kommt mit einer Kanne Tee und zwei Bechern und gießt uns ein. Wir trinken Tee. Earl Grey. Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Jeff sagt auch nichts. Ich nippe am heißen Tee.
    „Ist da oben dein Schlafzimmer?“, frage ich und könnte mir im gleichen Moment die Zunge abbeißen. Das kommt, weil ich einfach nicht weiß, was ich sagen soll. Das war eine ganz normale Frage, einfach eine Frage. Konversation sozusagen. Um das Gespräch in Gang zu bringen.
    „Ja“, sagt Jeff.
    Wieder Gesprächspause.
    „Äh“, sage ich. „Ich wollte dich fragen, ob du das Foto nicht wieder rausnehmen kannst. Du weißt schon, dieses Foto auf Facebook.“
    „Tut mir leid“, sagt Jeff. „Kann ich nicht.“
    „Tja dann“, sage ich und stehe auf.
    „Willst du die Frikadellen unter diesen Umständen wieder mitnehmen?“, sagt Jeff.
    „Nö“, sage ich. „Kannste behalten.“
    Denn irgendwie käme mir das jetzt auch doof vor. Soll er sie doch behalten. Was soll´s.
    Und zu Hause mache ich den Computer an und gehe auf Facebook und dann schreibe ich einen Kommentar unter Jorges Kommentar zu meinem Foto. Ich schreibe: ich hätte dich womöglich auch öfter darauf aufmerksam machen sollen, dass du mein Mann bist. Jasmin
     
    Am nächsten Tag gehen Clara und ich den West Bay Trail. Ein kleiner Pfad am Ende des Dorfes. Ein paar alte Holzstufen im Wald runter bis ans Ufer des Inlets und dann einen Ringel hinten durch den Wald wieder hoch. Die Bäume sind riesig. Die kleinen Pflanzen auf dem Boden winzig. Eine Holzbrücke führt über einen Wasserfall. Es riecht nach Erde und Feuchtigkeit. Das Highlight ist ein vom Blitz getroffener Baum, der immer noch lebt.
    Der Spaziergang ist völlig ereignislos. Keine Bären, keine Pumas
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