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02 Nightfall - Rueckkehr des Engels

02 Nightfall - Rueckkehr des Engels

Titel: 02 Nightfall - Rueckkehr des Engels
Autoren: Adrian Phoenix
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nahm einen der Papierschnipsel auf, strich ihn glatt und las, was darauf stand. Loa des Steins, gewähre mir Schutz vor dem Bösen. Schütze mich in der Nacht. Er legte das Gebet wieder zu den anderen.
    Dann musterte er die Gestalt vor ihm. Das Mondlicht spiegelte sich glitzernd wie Eiskristalle auf dem schwachen Muster wieder, das in die Flügel geritzt war. Es waren keine Federflügel, sondern wie die Luciens schwarz und glatt wie Samt, wenn man sie berührte. Die Unterseiten waren von blauroten Schlieren durchzogen. Haar, das bis zur Taille herab reichte, umrahmte das schreiende Gesicht. Die Gestalt war bis auf eine Art dicken Halsreif und einen Reif um einen der Oberarme völlig nackt und eindeutig männlich.
    Von schickte ihm ein Bild des Halsreifs. Ein Wendelring. Keltisch. Alt.
    Merci, Llygad.
    Mondlicht erleuchtete einen rätselhaften Fleck auf der Stirn der Statue. Er sah so aus, als hätte ihn jemand dorthin geschmiert,
eine Art Blutsymbol oder möglicherweise ein Hoodoo- Vévé . Dante beugte sich vor. Seine Lederjacke knarzte, als er den Fleck berührte. Restenergie knisterte wie elektrische Ladung auf seiner Fingerkuppe. Eine winzige blaue Flammenspur formte einen Bogen zwischen seiner Hand und der Statue.
    Die Magie der Gefallenen.
    Dante nahm einen Hauch von Luciens Duft – Granatapfel und schwere, feuchte Erde – wahr, der dem Blutsymbol entstieg, ehe er die Hand zurückzog und noch einmal den Engel betrachtete. Was hatte Lucien getan und warum? Einen seiner Anverwandten in Stein zu verwandeln …
    Dann fielen ihm wieder Luciens warnende Worte aus jener Nacht ein: Fahre deine Schilde hoch. Sperre es aus. Versprich mir, dass du mir nicht folgen wirst.
    Dante war plötzlich absolut sicher, dass er gerade den Grund betrachtete, warum ihm Lucien dieses Versprechen abverlangt hatte. Er berührte den Halsreif – den Wendelring – am Hals des Engels, schloss die Augen und lauschte. Eine Melodie drang flüsternd durch seine Fingerspitzen in sein Inneres. Ihm stockte der Atem, als sein eigenes Lied, chaotisch und düster, darauf antwortete. Der Stein unter seiner Haut erzitterte wie eine klingende Glocke.
    Plötzlich schoss heißer Schmerz in sein Bewusstsein. Weißes Licht pulste hinter seinen geschlossenen Augen – die Sturmwarnung einer bevorstehenden Migräne. Dante schlug die Augen auf und begann, sich zu erheben. Dann zögerte er. Ein Knie hatte er noch auf dem Boden, und das schwächer werdende Lied zupfte verzweifelt an seinem Inneren.
    Versprich mir …
    Er legte die Hand auf den Strauß welker Blumen. Die trockenen Stiele und verschrumpelten Blütenblätter knisterten und zerfielen wie verkohltes Holz. Wie unausgesprochene Wahrheiten.

    Du siehst ihr so unglaublich ähnlich.
    Du hast das die ganze Zeit über gewusst? Und mir nie auch nur ein Wort gesagt?
    Wut stieg in Dante auf, und Musik pulsierte kochend in seinem Inneren. Er goss seine Energie in die Überreste des welken Blumenstraußes. Ein Lied, düster, schnell und wild, tobte in seinem Herzen und wand sich um seine Knochen. Blaues Feuer entflammte in seinen Handflächen und spiegelte sich im Stein wider.
    In den hohlen Steinhänden lagen nun grünende Stiele mit jungen Knospen. Wieder schoss Schmerz durch Dantes Bewusstsein, und sein Rhythmus veränderte sich. Raue, schrille Missklänge durchdrangen ihn, und sein Lied ergoss sich in die Nacht.
    Er ließ den Engel los und erhob sich zögernd. Der Schmerz in seinem Kopf drang wie Stacheldraht in seine Gedanken. Er biss die Zähne zusammen und versuchte, den Schmerz zu verdrängen.
    Wappne dich.
    Der Friedhof drehte sich; die mondbeschienenen Grabsteine wirbelten weiß unter den Zypressen im Kreis. Blut troff ihm aus der Nase. Spritzte auf den Boden zu seinen Füßen.
    Er hörte, wie Von hinter ihm seinen Namen rief.
    In ihm wisperten Stimmen. Dante-Engel?
    Über ihm vernahm er Flügelschlag.
    Dante schloss die Augen und presste die Finger gegen seine Schläfen. Schweißperlen standen ihm auf der Stirn. Vertraute Kälte legte sich auf sein Bewusstsein und bat um Einlass. Lucien. Er fuhr seine Schilde hoch und ließ ihn nicht ein.
    Abermals legten sich Finger auf seine Schulter. »Wie zum Teufel hast du das gemacht?«, wisperte Von angespannt. Er schien nicht zu wissen, was er denken sollte.
    Dante öffnete die Augen. Ein Strauß schwarzer Rosen wiegte sich in den Händen des Engels wie von einem sanften Windstoß
erfasst. Oder als bewege er sich von selbst – im Rhythmus jenes Liedes, das
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