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02 Nightfall - Rueckkehr des Engels

02 Nightfall - Rueckkehr des Engels

Titel: 02 Nightfall - Rueckkehr des Engels
Autoren: Adrian Phoenix
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dringen würde.
    Er faltete das Papier, hob es an die Lippen und küsste es. Blut tropfte von seiner Nase und befleckte das Gebet. Er legte es zwischen all die anderen Gebete und Kreidekreuze zu Füßen des Engels.
    Dann stand er auf und warf Von einen schnellen Blick zu. Er trug eine undurchsichtige, etwas bekümmert wirkende Miene zur Schau. Der Nomad lächelte einen Augenblick lang, nahm dann den Kugelschreiber wieder an sich und steckte ihn ein.
    »Bist du so weit, kleiner Bruder?«, fragte er leise.
    »Um wie viel Uhr geht das Flugzeug?«
    »In schätzungsweise zwei Stunden.«
    Dante nickte. »Gehen wir.«

    Eine plötzliche Windböe, die nach Vanille und Wachs roch, wehte Dante einige Haarsträhnen in die Augen. Die Kerzen flackerten heftig, und einige wurden zuerst schwächer und gingen dann aus. Von sah stirnrunzelnd nach oben. Dantes Muskeln spannten sich. Seine Schläfen pulsierten schmerzhaft. Im Gesicht des Nomads spiegelte sich die gleiche Spannung wider, die er selbst empfand.
    Hatte gehofft, wir würden ohne eine Szene wegkommen. Aber vielleicht muss ich mich dem stellen.
    »Kind, warte.« Luciens tiefe Stimme erklang aus dem Himmel über ihnen.
    Dante strich sich mit beiden Händen das Haar aus dem Gesicht und holte tief Luft. Er fuhr herum und sah, wie Lucien aus dem sternklaren Nachthimmel heranflog, die schwarzen Flügel schlugen anmutig.
    Lucien De Noir, der nur eine teure dunkle Hose trug, berührte mit nackten Füßen die Steinplatten, die das Grab der Baronnes umgaben. Seine Flügel öffneten sich ein letztes Mal, ehe er sie hinter sich zusammenfaltete. Ihre Spitzen wölbten sich über seinem Kopf. Er richtete sich zu seiner vollen Größe von zwei Metern auf, und sein schwarzes Haar fiel über seine muskulösen Schultern bis zur Taille herab. Sein ausdrucksvolles Gesicht wirkte ruhig und aufmerksam. In den Tiefen seiner Augen blitzte es golden.
    »Warten?« Dante verlagerte sein Gewicht von einer Hüfte auf die andere und verschränkte die Arme vor der Brust. »Nenn mir einen guten Grund.«
    »Du darfst nicht auf diese Tour.«
    »Das ist ein Verbot, kein Argument, und du kannst mich mal.«
    »Es geht dir nicht gut. Du verlierst täglich mehr an Kontrolle. Du bist gefährlich.«
    Feuer loderte auf, verschmolz mit Dantes Kopfschmerz, mit dem Kummer in seinem Herzen. »Du kannst mich mal«, wiederholte er mit zusammengepressten Lippen.

    Luciens Antlitz blieb ausdruckslos. Nur die Spitzen seines schwarzen Haars hoben sich einen Moment lang, als hätte sie ein Windstoß erfasst. »Du weißt, ich sage die Wahrheit.«
    »Wow.« Dante fixierte Lucien finster. »Ist das das erste Mal?«
    In Luciens Kiefer begann ein Muskel zu zucken. Er richtete den Blick auf Von. »Ich muss mit meinem Sohn allein reden.«
    Soll ich bleiben? Schiedsrichter spielen?, sendete Von.
    Nein, ich komme klar. Mach dir keine Sorgen. Wir treffen uns am Motorrad.
    Du blutest übrigens noch immer, kleiner Bruder.
    »Merde«, flüsterte Dante und wischte sich mit dem Jackenärmel über die Nase.
    Von betrachtete ihn noch einen Augenblick lang, ehe er nickte. »Gut. Bis gleich.« Er ging den Weg zurück, an den mondbeschienenen Grabgewölben vorbei zum Friedhofstor. »Seid nett zueinander!«, rief er den beiden über die Schulter hinweg zu.
    »Ich habe dich nicht belogen«, sagte Lucien gepresst.
    »D’accord, du hast nicht gelogen. Aber du hast mir die Wahrheit verschwiegen, und das ist das Gleiche wie Lügen. Besser?«
    »Was soll daran besser sein? Deine Suche nach der Wahrheit vernichtet dich!«
    »Das ist mein Problem. Halt dich aus meinen Angelegenheiten raus.«
    »Unmöglich. Du bist meine Angelegenheit!«
    »Verdammt! Ich gehe dich nichts an. Du musst dich nicht mehr um mich sorgen.« Schmerz beeinträchtigte Dantes Blickfeld. Seine Schläfen pulsierten dröhnend. Erneut troff Blut aus seiner Nase. »Wir waren einmal gute Freunde. Schon vergessen?«
    Lucien sah weg. Seine Finger fassten nach dem Anhänger, der nicht mehr um seinen Hals hing – eine Rune als Zeichen
der Freundschaft und Partnerschaft, die Dante ihm einmal geschenkt hatte –, dann ballten sie sich zur Faust. Dante wusste nicht, wann oder wie Lucien den Anhänger verloren hatte. Aber der Verlust kam ihm irgendwie wie ein böses Omen vor.
    »Ich habe einen Fehler gemacht, den ich bedauere«, sagte Lucien und blickte Dante an. In seinen Augen funkelte es bernsteinfarben. »Aber ich habe nicht vor, mich fortwährend dafür zu entschuldigen.«
    »Ich habe dich
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