Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
02 - Keiner werfe den ersten Stein

02 - Keiner werfe den ersten Stein

Titel: 02 - Keiner werfe den ersten Stein
Autoren: Elizabeth George
Vom Netzwerk:
kämpften Pferd und Reiter miteinander, jeder entschlossen, den anderen zu beherrschen, doch Peter wußte mit sicherem Instinkt, wann er hart zupacken mußte und wann Härte ein Übergriff gewesen wäre. Er zog die Stute auf dem brachliegenden Feld herum, als wäre es zwischen beiden ausgemacht gewesen, einen kleinen Kreis zu drehen, und brachte sie dann vor der Mauer zum Stehen.
    »Hodge hat das Gespräch angenommen.« Peter grinste.
    »Du kennst ihn ja. ›Scotland Yard für seine Lordschaft. Soll ich ihm Bescheid sagen, oder tun Sie es?‹ Und dabei trieft er vor Mißbilligung aus sämtlichen Poren.«
    »Ja, da hat sich nichts geändert«, meinte Lynley. Der alt!Butler, der seit mehr als dreißig Jahren im Dienst der Familie war, weigerte sich seit nunmehr zwölf Jahren hartnäckig, »die Marotte seiner Lordschaft«, wie er es nannte, zu akzeptieren; er schien immer noch zu erwarten, daß Lynley jeden Moment zur Vernunft kommen und im Licht dieser Vernunft endlich ein standesgemäßes Leben beginnen würde, an das er sich, wie Hodge inbrünstig hoffte, gewöhnen würde - in Cornwall, in Howenstow, so weit wie möglich entfernt von New Scotland Yard. »Was hat Hodge ihm denn gesagt?«
    »Wahrscheinlich, daß du damit beschäftigt seist, die Ehrenbezeigungen unserer Pächter entgegenzunehmen. Du weißt schon, ›Seine Lordschaft ist im Augenblick auf den Feldern‹.« Peter imitierte die salbungsvolle Stimme des Butlers nicht schlecht. Die beiden Brüder lachten. »Willst du zurückreiten? Es geht schneller als mit dem Wagen.«
    »Danke, nein. Dazu ist mir mein Hals zu lieb.« Lynley legte geräuschvoll den Gang ein. Erschrocken bäumte sich das Pferd auf und brach seitlich aus. Lynley beobachtete, wie sein Bruder mit dem Tier kämpfte; er wußte, daß es sinnlos war, ihm zur Vorsicht zu raten. Gerade das Risiko, die Gefahr, durch eine einzige falsche Bewegung einen Knochenbruch zu provozieren, reizten Peter, dieses Pferd zu reiten.
    Peter sprühte vor Vitalität und wirkte über die Maßen jung. Lynley fühlte sich weit mehr als zehn Jahre älter als er.
    »Los, Saffron«, rief Peter, zog die Stute herum und galoppierte mit einem Winken über das Feld davon. Er würde Howenstow in der Tat lange vor seinem Bruder erreichen.
    Als Pferd und Reiter hinter einer Reihe Platanen am Ende des Feldes verschwunden waren, gab Lynley Gas, schimpfte ungeduldig, als der Gang aus dem alten Getriebe sprang, und zuckelte dann auf der schmalen Straße zurück zum Haus.

    Er setzte sich in den kleinen Alkoven neben dem Wohnzimmer, um seinen Anruf zu machen. Dies war sein ganz persönlicher Zufluchtsort, direkt über der Veranda des alten Hauses gelegen und um die Jahrhundertwende von seinem Großvater eingerichtet, einem Mann, der gewußt hatte, was das Leben lebenswert machte. Ein niedriger Mahagonischreibtisch stand unter zwei schmalen, vielfach unterteilten Fenstern. Auf den Borden drängten sich zahlreiche Bücher, meist Leichtes, und mehrere gebundene Jahresausgaben des Punch. Eine Ormolu-Uhr tickte auf dem Sims über dem Kamin, vor dem ein bequemer Lesesessel stand. Immer war dieser Raum Lynley nach einem anstrengenden Tag willkommene Zuflucht gewesen.
    Während er darauf wartete, daß Webberlys Sekretärin den Superintendent aufstöberte, und sich fragte, was die beiden an einem Wochenende in New Scotland Yard zu tun hatten, sah er zum Fenster hinaus in den großen Garten. Seine Mutter stand unten, eine große, schlanke Frau, in eine dicke Jacke vermummt, mit einer amerikanischen Baseballmütze auf dem rotblonden Haar. In ein Gespräch mit einem der Gärtner vertieft, merkte sie nicht, daß ihr Retriever sich einen ihrer Handschuhe geschnappt hatte und ihn zum zweiten Frühstück zu verspeisen drohte. Lynley lachte leise, als er sah, wie seine Mutter auf das Treiben des Hundes aufmerksam wurde. Mit einem schrillen Entsetzensschrei riß sie ihm den Handschuh aus dem Maul.
    Als Webberly sich endlich meldete, klang seine Stimme atemlos, als sei er zum Telefon gerannt. »Wir haben hier eine kitzlige Situation«, erklärte er ohne Umschweife. »Eine Theatergruppe aus London, eine Leiche, und die zuständige Polizei benimmt sich, als handle es sich um einen Ausbruch der Beulenpest. Sie haben bei der zuständigen Kripo in Strathclyde angerufen. Strathclyde will nichts damit zu tun haben. Also gehört die Sache uns.«
    »Strathclyde?« wiederholte Lynley verständnislos. »Aber das ist doch in Schottland.«
    Schottland hat seine eigene
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher