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02 - Keiner werfe den ersten Stein

02 - Keiner werfe den ersten Stein

Titel: 02 - Keiner werfe den ersten Stein
Autoren: Elizabeth George
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neuen Stücks. Ein neues Talent anscheinend. Sie heißt - warten Sie mal ...« im Hintergrund raschelte Papier, »Joy Sinclair.« Lynley hörte Webberlys Räuspern, stets Vorbote unangenehmer Neuigkeiten. »Die Leiche ist leider schon weggebracht worden.«
    »Verdammt!« brummte Lynley. Das würde seine Arbeit erschweren.
    »Ich weiß. Aber es ist jetzt nicht mehr zu ändern. Sergeant Havers erwartet Sie jedenfalls in Heathrow. Ich habe Sie beide auf der Einuhrmaschine nach Edinburgh gebucht.«
    »Nicht Havers, Sir. Für diesen Fall nicht. Ich brauche St. James, wenn die Leiche schon weg ist.«
    »St. James gehört nicht mehr zum Yard, Inspector. So kurzfristig kann ich das nicht durchsetzen. Wenn Sie einen Sachverständigen mitnehmen wollen, dann einen unserer Leute.«
    Lynley, der ahnte, warum man gerade ihm und nicht einem der Männer, die an diesem Wochenende Dienst hatten, den Fall übertragen hatte, war nicht bereit, diese Absage als endgültig hinzunehmen. Stuart Rintoul, Earl of Stinhurst, gehörte in diesem Mordfall offensichtlich zu den Verdächtigen, aber man wünschte, ihn mit Glacehandschuhen anzufassen, und da kam Lynley, Earl of Asherton, wie gerufen. Er konnte ihm von Aristokrat zu Aristokrat begegnen, während er mit aller gebotenen Delikatesse die Wahrheit zu ergründen suchte. Das alles war ja gut und schön, aber wenn Webberly bereit war, den ganzen Dienstplan umzustoßen, nur um die Herren Stinhurst und Asherton unter einen Hut zu bringen, mußte er auch einsehen, daß er - Lynley - nicht gewillt war, sich die Arbeit durch Sergeant Barbara Havers erschweren zu lassen, die sich nichts Schöneres vorstellen konnte, als die erste aus ihrer Gesamtschule im Kleineleuteviertel von London zu sein, die einem Grafen Handschellen verpaßte.
    Nach Sergeant Havers' Auffassung entsprangen die Grundprobleme des Lebens - von der Wirtschaftskrise bis zu AIDS - sämtlich dem Klassensystem, und zwar gleich in voll entwickeltem Zustand, ähnlich wie Athene einst dem Haupt ihres Vaters Zeus entsprungen war. Die Frage der Gesellschaftsklassen war in der Tat das heikelste Thema zwischen ihnen und war ausnahmslos Anfang und Ende jeglicher Verbalschlacht gewesen, die sie in den Monaten, seit Havers mit ihm zusammenarbeitete, geschlagen hatten.
    »Dieser Fall ist nichts für Havers, so sehr ich ihre Fähigkeiten zu schätzen weiß«, sagte Lynley eindringlich. »Ihre ganze Objektivität wird zum Teufel gehen, sobald sie hört, daß Lord Stinhurst möglicherweise in die Sache verwickelt ist.«
    »Unsinn, das hat sie überwunden. Und wenn nicht, dann wird es Zeit, daß sie es jetzt tut. Sonst kommt sie bei Ihnen nie weiter.«
    Lynley überlegte, wie er Webberlys Entscheidung, ihm Havers aufzubrummen, zu einem Kompromiß ausnützen könnte, der seinen eigenen Vorstellungen entgegenkam. Die Möglichkeit bot sich im Rückgriff auf eine frühere Bemerkung.
    »Wenn das Ihre Entscheidung ist, Sir«, sagte er ruhig, »muß ich mich wohl fügen. Aber Sie wissen, daß durch die Entfernung der Leiche zusätzliche Komplikationen geschaffen worden sind. Und Sie wissen wie ich, daß St. James in der Spurensicherung weit mehr Erfahrung hat als jeder im Haus. Er war schon damals unser bester Mann und ...«
    »Und ist es auch jetzt noch. Ich weiß, das servieren Sie mir immer wieder, Inspector. Aber wir stehen hier vor einem Zeitproblem. St. James kann unmöglich .«
    Aus dem Hintergrund erscholl laut und scharf die Stimme Hilliers und verklang sofort, als - so vermutete Lynley - Webberly die Hand auf die Muschel legte. Es dauerte einen Moment, ehe der Superintendant sagte: »Also gut, St. James ist genehmigt. Aber jetzt machen Sie sich auf die Socken, fliegen Sie da rauf, und kümmern Sie sich um die Bescherung.« Er hustete, räusperte sich und sagte abschließend: »Mir ist das Ganze genausowenig angenehm wie Ihnen, Tommy.«
    Ohne weitere Fragen zuzulassen, legte er auf. Erst jetzt kam Lynley dazu, sich über zwei merkwürdige Details des Gesprächs Gedanken zu machen. Webberly hatte ihm praktisch nichts über das Verbrechen berichtet, und zum ersten Mal in den zwölf Jahren ihrer Zusammenarbeit hatte er ihn beim Vornamen genannt. Seltsamer Anlaß, Unbehagen zu verspüren, gewiß. Und doch schoß ihm plötzlich die Frage durch den Kopf, wo bei diesem Mordfall in Schottland wirklich der Hund begraben lag.

    Auf dem Weg aus dem Wohnzimmer zu seinen eigenen Räumen im Ostflügel von Howenstow stieß ihm plötzlich der Name auf. Joy
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