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02 Ich bin so Fry: Meine goldenen Jahre

02 Ich bin so Fry: Meine goldenen Jahre

Titel: 02 Ich bin so Fry: Meine goldenen Jahre
Autoren: Stephen Fry
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Das Verbotene.
    Ja, verboten. Der Dorfladen war allen Jungen verboten. Die Extrazuckersüße aller Naschwaren, die grelle Heiterkeit der Verpackungen und die rüpelhafte amerikanische Ungezwungenheit, die dem Kaugummi und den Gobstoppers eigen war, beleidigten die eher militärisch geprägten Empfindungen der Lehrer. Die Produkte waren allesamt ein klein wenig vulgär, ein ganz klein wenig … ja, ehrlich gesagt, ein bisschen arbeiterklassig. Der Himmel weiß, was jene armen Schulmeister zu Haribo-Starmix oder Kinder-Happy-Hippo gesagt hätten. Vielleicht ist es besser, dass sie weggestorben sind, bevor sie derartige Unerfreulichkeiten hätten miterleben müssen. Ich bin sicher, ihre Herzen hätten zu schlagen aufgehört.
     
    Sieben Jahre alt, 200 Meilen entfernt von zu Hause und dazu ein unterversorgter Suchtkranker. Es gibt jede Menge Geschichten von Kindern, die noch keine sieben sind, aber bereits Alkoholiker oder schon bei der Geburt süchtig nach Crack, Crystal Meth oder Red Bull, und mir ist völlig klar, dass meine Zuckerabhängigkeit im Vergleich dazu ein Kinkerlitzchen ist. Damit geht keinerlei Anklageerhebung einher, noch ist sie als Lektion für irgendjemanden zu verstehen. Zufriedenstellend erklärbar ist sie ebenfalls nicht. Ich habe Ihnen ihre Grundzüge geschildert, aber damit weder einleuchtende noch hinreichende Gründe für eine so zwanghafte und verzehrende Sucht angerissen. Schließlich warenmeine Zeitgenossen denselben Anzeigenkampagnen ausgesetzt, hatten Zugang zu denselben Zerealien, Zuckerwaren und Viktualien und bestanden doch aus denselben Organen, hatten dieselben Sinne und waren von vergleichbaren Ausmaßen. Seit den frühesten Tagen bewusster Wahrnehmung trieb mich die ingrimmige Gewissheit, dass andere Menschen sich nicht in den Fängen derselben heißhungrigen Gier wanden, nicht den unersättlichen Hunger und das alles überwältigende Verlangen spürten, nicht unter dem Begehren bebten und unter dem peinigenden Bedürfnis ächzten, das mich zu fast jeder Stunde jeden Tages heimsuchte. Taten sie es doch, besaßen sie andere Mittel der Selbstkontrolle, die mich nur beschämen konnten. Vielleicht, überlegte ich, vielleicht waren ja alle anderen Menschen außer mir willensstark, charakterfest und moralisch standhaft. Vielleicht war ich allein so schwach, dass ich den Gelüsten erlag, die andere zu kontrollieren wussten. Vielleicht nagten an allen anderen gleichermaßen wüste Gelüste, aber ihnen hatten die Natur oder der Allmächtige die Fähigkeit mitgegeben, ihre Gefühle zu beherrschen. Und mir, dem einsam Zitternden, war diese Gabe verweigert worden. Wir sollten in Betracht ziehen, dass die Atmosphäre an meiner Schule wie die an jeder beliebigen Privatschule zu jener Zeit (und dieser Tage noch immer an vielen Schulen) von selbstgerechter Religiosität gesättigt war (heute sind die Schulen nur noch von Rechtschaffenheit ohne die Religiosität gesättigt, was nur ein geringer Fortschritt ist). Sie können sich vielleicht vorstellen, in welchem Ausmaß spirituelle Folterqualen meine eher körperlichen Peinigungen begleiteten. Die Bibel ist von vorne bis hinten vollgestopft mit Geschichten von Versuchungen, Verboten und Vergeltung.Schon auf der ersten Seite hängt eine verbotene Frucht an einem Baum, und wenn wir uns weiter durchschlagen, werden uns immer neue schreckliche Lektionen zuteil, wie sehr Gier bestraft und die Lust verdammt wird, bis wir die uneingeschränkten, endgültigen und irrwitzigen Verdammnisse und Ekstasen in der Offenbarung des Johannes erreichen, nachdem wir Versuchungen in der Wildnis und in der Wüste durchgestanden haben, Heuschrecken, Honig, Manna, Raben, Wunden, Eiterbeulen, Seuchen, Plagen, Leiden und Opfer. Führe uns nicht in Versuchung. Weg mit dir, Satan, geh mir aus den Augen. Die Rache ist mein, spricht der Herr, ich will vergelten.
    In einer solchen Atmosphäre und angesichts des bereits bestehenden physiologischen Verlangens ist es kein großes Wunder, dass sich von Schuldgefühlen getränkte Verknüpfungen aus Zucker und Begehren in meinen Kopf stahlen, eine Mischung aus Befriedigung und Begehren und Befriedigung und Scham. Und all das, Jahre bevor sich die noch weitaus grausameren Schrecken und Qualen der Sexualität bei mir vorstellen und dasselbe Muster in mein Herz und meinen Unterleib kerben sollten; natürlich mit tieferen und grausameren Schnitten. Also, ich
bin
aber auch ein Drama-King, oder?
    Da neunzig Prozent meiner Schulkameraden
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