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02 Ich bin so Fry: Meine goldenen Jahre

02 Ich bin so Fry: Meine goldenen Jahre

Titel: 02 Ich bin so Fry: Meine goldenen Jahre
Autoren: Stephen Fry
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geboren worden, und das Papier oder die digitale Darstellungstechnologie, die zur Produktion und Rezeption des Buchs benötigt wurden, das Sie jetzt mit so ungetrübter Freude lesen, hätten anderweitig genutzt werden können.
    Dem Zucker verdanke ich also mein Leben, aber er verlangte auch seinen Preis – sklavische Hörigkeit. Abhängigkeit von ihm und eine Abhängigkeit von der Abhängigkeit noch obendrein.
     
    Aber die gesüßten Frühstückszerealien waren noch relativ harmlos. Packungen von Sugar Puffs, Ricicles und Frosties wurden von meiner Mutter telefonisch bestellt und zusammen mit den restlichen Lebensmitteln von Mr Neil geliefert, der mich immerfort »junger Mann« nannte und den Lieferwagen von Riches fuhr, dem kleinen Laden im Dorf Reepham, das zwei oder drei Meilen von unserem Heimatflecken Booton entfernt lag. Männer wie Mr Neil gibt es nicht mehr; kleine Läden wie Riches gibt es nicht mehr.
    Dank Mr Neils wöchentlicher Lieferungen konnte ich fast so viel Frühstückszerealien essen, wie ich wollte, ohne dafür Geld auszugeben. Mein Zuckerkick war kostenlos. Natürlich doch. Warum sollte es anders sein? Ich war ein Kind, das in einem Haus wohnte, in dem stets Sugar Puffs im Schrank standen. Total normal. Aber alles wurde anders, als ich im Alter von sieben Jahren auf eine Vorbereitungsschule in Gloucestershire geschickt wurde, die fast genau 200 Meilen von unserem Heim in Norfolk entfernt war.
    Der Einführungsmorgen in Stouts Hill, denn so hieß die Schule, wartete mit der ersten Enttäuschung auf, von denen noch eine lange Reihe folgen sollte. Nach einer Nacht vieler Heimwehtränen und einsamer Schluchzer war ich vom selbstherrlichen Lärm einer fremdartigen, verstörenden und mysteriösen Institution erwacht, die ihre Alltagsriten zu vollziehen begann.
    »Du da! Was machst du? Du solltest schon im Refektoriumsein«, schrie mich ein Aufsichtsschüler an, als ich panisch und ziellos durch die Flure irrte.
    »Bitte, was ist denn ein Refektorium?« Das Bild einer mittelalterlichen Folterkammer kam mir in den bangen Sinn.
    Der Aufsichtsschüler packte mich an den Schultern und steuerte mich durch einen Korridor und einen weiteren Gang, bis wir schließlich durch eine Tür in einen langen, niedrigen Speisesaal kamen, in dem lärmend frühstückende Jungen auf langen, blitzenden Eichenbänken saßen. Er marschierte mit mir zu einer dieser Bänke, schob zwei Jungen auseinander, stemmte mich in die Höhe und klemmte mich in die Lücke zwischen ihnen. Ich saß da und blinzelte ebenso verzagt wie verlegen. Als ich schüchtern den Kopf hob, bemerkte ich, dass es tatsächlich Zerealien gab. Cornflakes oder klumpigen Porridge. Von Sugar Puffs, Frosties oder Ricicles keine Spur. Ich könnte jetzt behaupten, dass mein Leben nie wieder dasselbe sein sollte, dass Vertrauen, Glaube, Hoffnung, Zutrauen und Zuversicht an jenem Tag in mir erstarben und mich hinfort die Melancholie in ihren Beschlag nahm, aber vielleicht wäre das ein wenig zu hoch gegriffen. Nichtsdestoweniger war ich schockiert. Sollte von nun an etwa alles Süße aus meinem Leben verbannt sein?
    Die Schule besaß eine Institution, die sämtliche bekümmernden Unzulänglichkeiten des Refektoriums ausglich. »Tuck« ist, wie Sie vielleicht wissen, altmodischer englischer Schülerslang für Süßwaren. Das, was Amerikaner »candy« nennen. Natürlich war ich mit derlei Naschwerk bereits in Kontakt gekommen, und zwar in Viertelpfundtüten, die im Riches oder im Reepham Post Office aus großen Glasbehältern hervorgeschaufeltwurden. Pear Drops, Brausebonbons mit Zitronengeschmack, Toffee Eclairs, Pfefferminz- und Fruchtbonbons: allesamt jedoch recht reizlos, rechtschaffen und Vorkriegsware. Im anbrechenden goldenen Zeitalter der Leckereien hatte der »Tuck Shop« der Stouts Hill School Aufregenderes im Angebot. Cadbury’s, Fry’s (hurra!), Rowntree’s, Nestlé’s, Mackintosh’s, Mars und Terry’s waren immer noch individuelle und unabhängige Hersteller. Von Mackintosh’s kamen Rolos, Caramac und Toffee Crisp, von Fry’s (hurra!) Turkish Delight, Crunchie-Riegel und Chocolate Cream. Cadbury’s beschenkte uns mit Picnic und Flake sowie seinem Markenprodukt, dem Milchschokoladenriegel Dairy Milk, der von zarter lila Folie umhüllt war. Die Schokogiganten aus Bournville rüsteten sich bereits, im Abstand von einem Jahr den legendären Curly Wurly herauszubringen und den Greatest Chocolate Bar in the History of the World, den Aztec. Nestlé’s
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