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02 Ich bin so Fry: Meine goldenen Jahre

02 Ich bin so Fry: Meine goldenen Jahre

Titel: 02 Ich bin so Fry: Meine goldenen Jahre
Autoren: Stephen Fry
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Bockmist. Falscher Brustton. Es gibt jede Menge Brüder und Schwestern, sogar eineiige Zwillinge, die mit derselben Kleinkindkost aufgepäppelt wurden und sich letztlich als verschieden in jeder Hinsicht erwiesen bis auf die – irrelevante – physische Erscheinung. Mein Bruder und meine Schwester wurden als Kleinkinder nicht anders behandelt als ich, und wir könnten, zum Glück für sie und die Menschheit, einander nicht unähnlicher sein. Gehen wir also davon aus, dass die Laster und Schwächen, von den ich Ihnen jetzt erzählen werde, meine ureigenen sind und mir bereits zur Geburt beigegeben wurden wie die Muttermaleauf der Rückseite meiner Beine und die Windungen auf meinen Fingerkuppen. Womit nicht gesagt sein soll, dass einzig und allein ich im Besitz dieser Schwächen bin. Weit gefehlt. Man kann sie fast schon als das Manko meiner Generation bezeichnen.
    Sobald wir die Milch hinter uns gelassen haben, ob Mutter- oder Kunstmilch, kommen wir zu den härteren Sachen. Zu fester Kost. Apfelbrei und Eintopf werden löffelweise in uns hineingestopft, bis wir selbst mit Messer und Gabel umgehen können. Zu den frühesten und heftigsten Formen, mit Hilfe derer sich der Charakter eines Kindes Ausdruck zu verschaffen anschickt, gehört dessen Reaktion auf Nahrungsmittel. In den späten 1950ern und frühen 1960ern waren Frühstückszerealien und Süßigkeiten die Nahrungsmittel der Wahl. Ich zählte zur ersten Welle Kleinkinder, die zielgruppenorientierter Werbung ausgesetzt wurden. Die Sugar Puffs erblickten wie ich 1957 das Licht der Welt. Diese Zerealie, von der niemand hätte behaupten können, dass sie den Ehrgeiz hätte, von Erwachsenen verspeist zu werden, wurde, ein Jahrzehnt vor der Ankunft des Honey Monster, von einem tatsächlich existierenden Bären namens Jeremy repräsentiert. Er führte ein arbeitsreiches Leben zwischen Fotosessions für den Verpackungskarton und Filmaufnahmen für die Werbespots im Fernsehen, bis er sich ins Privatleben zurückziehen durfte und nach einer kurzen Zeitspanne im Cromer Zoo schließlich in Campertown, Dundee, 1990 friedlich einschlief. Ich besuchte ihn in Cromer, den ersten Promi, den ich leibhaftig und im Naturpelz zu sehen bekam, und glauben Sie mir, was einem Kind von heute das höchstrangige A-Listen-Babe oder Popidol bedeutet, war für mich damals Jeremy der Bär. Manmuss sie nachvollziehen: die Leidenschaft und Liebe, den Bärenhunger.
    Sugar Puffs waren Weizenkörner, die unter Hitze aufgepufft und anschließend mit einer sirupartigen und leicht klebrigen Fruktose/Glukose-Glasur überzogen wurden. Um sie in ihrer ganzen Herrlichkeit zu genießen, brauchte man nur kalte Milch dazuzugießen. An Wintertagen war auch heiße Milch gestattet, aber die ließ in der Schüssel einen Suppenmatsch entstehen, der kaum mehr Zerealien erkennen ließ. Außerdem konnte Milch, die zum Kochen gebracht wurde, auf der Oberfläche eine Haut bilden, und Haut auf der Milch regte mich zum Erbrechen an. Bis zum heutigen Tag lassen mich Anblick und Geruch heißer Milch würgen und reihern. Mir kommen die pikanten Possen in den Sinn, die sich auf Cocteaus Cocktailpartys zugetragen haben sollen. Es heißt, dass sich Jean Cocteau zum Amüsement seiner Freunde nackt und rücklings auf einen Tisch zu legen pflegte und sich dann, ohne Hand anzulegen, zum Orgasmus stimulierte und ausschließlich kraft seiner Phantasievorstellungen ejakulieren konnte. Ich besitze ein vergleichbares Talent. Ich kann mich allein durch die Vorstellung von Haut auf heißer Milch, Vanillepudding oder Kaffee zum Erbrechen bringen. Wir beide vermögen also warme Flüssigkeiten aus unseren Körpern zu speien und sprühen zu lassen. Ich kann mich jedoch des Gefühls nicht erwehren, dass Cocteaus spritziger Partytrick gefragter sein dürfte als meiner.
    Der Frühstückstisch war das Feld, auf dem die Saat meiner Seelenqualen ausgesät wurde. Ich bin sicher, dass ich meine erste Sucht zu Recht dort orte. Die Sugar Puffs waren das Anfangsglied einer Kette, die mich den größten Teil meines Lebens fesseln sollte. Zu Beginnwaren sie noch, wie Sie sich denken können, eine reine Frühstückssitte. Aber schon bald naschte ich den lieben langen Tag von ihnen, bis meine Mutter angesichts der Unzahl von Packungen, die sie zu kaufen gezwungen war, erste Seufzer ausstieß. Ich aß die aufgepufften Klümpchen direkt aus der Packung. Eines nach dem anderen, ohne Unterlass, fanden sie den Weg in meinen Mund. Ich glich einem Amerikaner,
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